: Skinhead-Überfall ist frei erfunden
■ Aufsehenerregender Angriff auf Frau in Potsdamer Straßenbahn war ein Sturz / Motiv: Keine Versicherung
Vorgestern liefen ihr im Krankenhaus Freudentränen über die Wangen, als die Boulevardpresse der „mutigen Mutter“ 5.000 Mark überreichte. Gestern mußte sie nach der Aussage einer Zeugin ihre heroische Geschichte widerrufen: Die 34jährige Potsdamerin Elke S., die nach eigenen Angaben am Montag nachmittag von Skinheads aus der Straßenbahn geworfen worden war, als sie einer alten Dame beistand, hat den Tathergang von vorne bis hinten erfunden. Das erklärte gestern die Staatsanwaltschaft Potsdam. Die junge Frau habe zugegeben, daß der Skinhead-Angriff nicht stattgefunden hat.
Statt dessen erklärte Elke S. gestern, sie habe die Straßenbahn am Platz der Einheit in Potsdam unversehrt verlassen. Anschließend habe sie sich bei einem Sturz verletzt. Als Motiv für die Erfindung der mitleidheischenden Geschichte gab sie an, daß sie nicht krankenversichert sei und gehofft habe, als Opfer einer Straftat die Behandlungskosten nicht tragen zu müssen. Sowohl der Polizei als auch vor Journalisten hatte die 34jährige erklärt, sie sei einer alten Dame zu Hilfe gekommen, die von drei Skinheads bedroht worden sei. Nachdem sie ihr aus der Straßenbahn geholfen habe, hätten die Skinheads sie aus der Straßenbahn geworfen und dabei gegen einen Mast geschleudert.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hat die junge Frau bei ihrer Schilderung durchaus „Elemente von tatsächlichen Gegebenheiten“ aufgegriffen: So habe sie tatsächlich während ihrer Fahrt Skinheads gesehen, von denen einer mit dem Messer gespielt habe. Auch habe sich eine ältere Dame als Fahrgast in der Bahn befunden. Die Staatsanwaltschaft hat gegen die 34jährige ein Ermittlungsverfahren wegen Vortäuschung einer Straftat eingeleitet.
Dennoch geht auch die reale Gewalt in der S-Bahn trotz verstärkter Sicherheitsmaßnahmen weiter: In der Nacht zum Freitag wurde ein 29jähriger Neuköllner in der Halle des Hauptbahnhofs sowie ein 34jähriger Reinickendorfer in der S-Bahn zwischen Hauptbahnhof und Jannowitzbrücke niedergeschlagen und ausgeraubt. An diesem Wochenende will der Bundesgrenzschutz in den Berliner S-Bahnen mit täglich mehr als 400 Beamten im Einsatz sein. Jeannette Goddar
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