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Gemeinsame Feinde

■ Betr.: „Fundi-Sekte hoffähig ge macht“ (Rita Süssmuth trat in Köln zusammen mit den „Süley manci“ auf / Eine „fundamentali stische autoritäre und faschistoide Sekte, die den Koran zum Leitfa den der Staatsordnung machen will“), taz vom 5.10.94

Als der Verantwortliche für das „Fest der Begegnung anläßlich des Tages der deutschen Einheit“ in der Moschee zu Köln nehme ich zu diesem Beitrag Stellung und stelle richtig:

1. Sie schreiben, daß diese Veranstaltung „auf Initiative“ des Verbands der islamischen Kulturzentren zurückgehe (VIKZ). Dies ist falsch. Initiator und Organisator dieses „Festes der Begegnung“ war die Kölnische Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, deren Vorsitzender ich bin.

2. Sie erwecken den Eindruck, als ob Rita Süssmuth gezielt der Einladung einer bestimmten „islamischen Bewegung“ gefolgt sei. Dies ist falsch. Die Präsidentin des Deutschen Bundestages folgte meiner Einladung. Die allen Pressevertretern überreichte Erklärung des Pressereferates des Bundestags machte dies unmißverständlich deutlich.

3. Sie unterschieben dem Präsidenten des VIKZ die Aussage: „Die türkische Botschaft hat uns leider nicht beehrt.“ Dies ist falsch. Tatsache ist, daß die Republik Türkei offiziell durch den stellvertretenden Generalkonsul diplomatische Präsenz dokumentierte.

4. Sie unterstellen, diese Veranstaltung habe dem Zweck gedient, eine bestimmte islamisch-türkische Organisation „hoffähig“ zu machen. Das ist Unsinn. Wir hatten nie die Absicht, Muslime anderer Vereinigungen auszuschließen. Tatsache ist, daß zahlreiche Vertreter türkischer und islamischer Gruppierungen anwesend waren.

5. [...] Ich möchte den Lesern der taz die wesentlichen Fakten, die in dem Beitrag fehlten, nachreichen.

a) Das Treffen in der Moschee war die Auftaktveranstaltung zu einem „alternativen Tag der deutschen Einheit“, der sich bewußt allen Versuchen der Deutschtümelei entgegenstellte. Statt dessen sollte die Einheit aller hier lebenden Menschen unabhängig von ihrer nationalen, kulturellen oder konfessionellen Prägung dokumentiert werden.

b) Als Jude bin ich auf die Muslime zugegangen und habe den VIKZ gebeten, eine Veranstaltung in der Moschee zu ermöglichen. Das hatte folgende Gründe:

Als Opfer einer neonazistischen Kampagne im vergangenen Jahr stand ich für längere Zeit unter Polizeischutz. Der Aufruf „Tod dem Juden Ginzel“ war unter anderem so begründet worden: „Sein ständiges Gejammer über die angeblich vergewaltigten Moslem-Frauen (in Bosnien) ist widerlich. Moslems muß man hassen... Dieses Judenschwein Ginzel, diesen Moslemliebling, werden wir erledigen. Jetzt wiegelt er unsere Volksgenossen auf, Mitleid mit den Moslems zu haben. Ein Jude predigt Freundschaft mit Türken, Arabern und Moslems. Wir aber stehen für ein türkenfreies Europa... Jeder, der diesem Moslemfreund bei seinen pro-islamischen Agitationen hilft, ist ein Feind des deutschen Volkes...“

Aus dieser Erfahrung heraus, aus der Tatsache allnächtlicher brennender Häuser und Einrichtungen, in denen überwiegend türkische Menschen wohnen, sollte dieser Abend eine Demonstration gegen Haß und die Dummheit, gegen Gewalt und Fremdenfeindlichkeit und für eine muslimisch- jüdische Solidarität sein.

In einer Zeit, in der jüdische Einrichtungen und Menschen auch durch Fanatiker bedroht und getötet werden, die behaupten, im Namen Allahs zu handeln, wollte dieser Abend ostentativ den Aspekt der Gemeinsamkeit betonen. Wir haben – Muslime aller Richtungen, Frauen und Männer, Juden und Christen – gegen alle Formen von Fundamentalismus, religiösem Fanatismus, Nationalismus, Intoleranz und für das Recht aller Menschen auf Selbstbestimmung demonstriert. Das wurde in allen Reden, auch denen der Vertreter des VIKZ, unmißverständlich zum Ausdruck gebracht.

Ich empfinde es als schmerzlich, ja empörend, daß diese Botschaft des Abends in dem taz-Bericht unterschlagen wurde. Verschwiegen wurde: daß an diesem Tag der deutschen Einheit erstmals jüdische (synagogale) Gebete in einer Moschee erklangen, daß mit mir ein Jude erstmals in einer Moschee sprechen konnte, daß mit Rita Süssmuth erstmals eine christliche Frau in einer Moschee sprach, daß dieser Abend eine Demonstration gegen alle Formen von völkischem Nationalismus und für eine multikulturelle Gesellschaft, für Geistesfreiheit und Pluralismus war.

In diesem Sinne stehe ich mit Angehörigen islamischer Kulturzentren seit vielen Jahren im Dialog. Aufgrund dieser persönlichen Kontakte bat ich sie um Mitarbeit.

Wären sie solche Fundamentalisten und Faschisten, wie sie schreiben, hätten sie dann so ostentativ ihre Verbundenheit mit Juden und Christen gezeigt? Als Jude kann es nicht meine Aufgabe sein, den im Artikel erhobenen Behauptungen gegenüber diesem islamischen Verband zu widersprechen. Das muß er selbst tun. Eines nur weiß ich: Dieses Fest hatte einen für alle klar erkennbaren Charakter: Faschisten und Fundamentalisten sind unsere gemeinsamen Feinde.

Natürlich weiß ich, daß auch unter Muslimen in Deutschland antijüdische und antisemitische Propaganda nationalistischer wie auch religiöser Prägung betrieben wird. Nicht unbekannt ist mir, daß auch in dieser Moschee vor Jahren noch antijüdisch gepredigt wurde. Auch deswegen war es für mich ein wichtiges Symbol, gerade dort ein Fest der Begegnung zu feiern. [...]

Die 1.000 (!) Besuchern und Besucherinnen dieses Festes haben begeistert die offiziell diplomatischen Vertreter Israels, Ägyptens und der palästinensischen Generaldelegation begrüßt. Es lohnt sich also, beharrlich auf Veränderungen, eben auf Dialog, hinzuarbeiten! [...] Günther B. Ginzel,

Vorsitzender Kölnische Gesell-

schaft für christlich-jüdische

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