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Bulgarien wird von einer Frau regiert

■ Staatspräsident Schelew ernennt Wirtschaftsprofessorin Indschowa zur Ministerpräsidentin / Neuwahlen im Dezember

Budapest (taz) – Der bulgarische Staatspräsident Schelju Schelew hat gestern in Sofia das Parlament aufgelöst und eine geschäftsführende Regierung eingesetzt, die innerhalb der nächsten zwei Monate Neuwahlen vorbereiten muß. Gemäß der bulgarischen Verfassung war Schelews Schritt notwendig geworden, nachdem die Regierung Ljuben Berow Anfang September zurückgetreten war und das Parlament in der letzten Woche die Neubildung einer Regierung mit großer Mehrheit abgelehnt hatte.

Die vorgezogenen Neuwahlen werden nun wahrscheinlich am 18. Dezember stattfinden, der Termin gilt jedoch nicht als endgültig. Reguläre Neuwahlen hätten erst im Herbst nächsten Jahres abgehalten werden sollen.

Zur Interimsregierungschefin ernannte Schelew die bisherige Direktorin der bulgarischen Privatisierungsagentur. Die 41jährige Wirtschaftsprofessorin Reneta Indschova ist parteilos und lehrte vor 1989 Ökonomie an der Sofioter Hochschule für Wirtschaftswissenschaften. Sie gilt als gute Wirtschaftsexpertin, die erreicht habe, daß trotz zahlreicher Eingriffe und Verzögerungsversuche von seiten der bisherigen Regierung und der sozialistischen Parlamentsfraktion bereits ein Teil des Privatisierungsprogrammes für bulgarische Staatsbetriebe verwirklicht werden konnte.

Zugleich mit der Einsetzung der Interimsregierung geht vorläufig auch der Machtkampf zwischen Staatspräsident Schelew und dem Parlament zu Ende. Die beiden größten Fraktionen, der Parteienverband „Bulgarische Sozialistische Partei“ (BSP), Nachfolger der Kommunisten, und die antikommunistische „Union der Demokratischen Kräfte“ (SDS), wollten verhindern, daß das Parlament wie in der Verfassung vorgesehen, bis zu den Neuwahlen aufgelöst wird, weil sie sich von einer durchgehenden Arbeit in der Legislative mehr öffentliche Aufmerksamkeit und damit größere Wahlchancen versprochen hatten.

Laut den Umfragen liegt die BSP derzeit in der Wählergunst mit 24,6 Prozent der Stimmen vorn. Sie wird mit einem Programm des „sozial orientierten Überganges zur Marktwirtschaft“ in den Wahlkampf ziehen, welches bei den Wählern Gefallen finden dürfte. Denn der Regierung Berow ist es in 18 Monaten Amtszeit nicht gelungen, die Verarmung vieler Bulgaren und die hohe Inflation in den Griff zu bekommen. Welche Politik die BSP jedoch nach einem eventuellen Wahlsieg betreiben wird, ist unklar. Ihrer eher sozialdemokratischen Führung steht innerhalb des Parteienverbandes eine einflußreiche altkommunistische Fraktion gegenüber. Die SDS liegt in Umfragen dagegen nur bei 17,8 Prozent. Die Führungsspitze der Union um den Ex-Regierungschef Filip Dimitrow vertritt ein neoliberales Wirtschaftsprogramm. Geschwächt ist die SDS vor allem durch Fraktionskämpfe, die seit dem Sturz Dimitrows im Herbst 1992 anhalten. Erst vor wenigen Wochen war einer der SDS-Führer, Stefan Sawow, mit seiner Demokratischen Partei aus der Union ausgetreten.

Wie die Wahlergebnisse ausgehen, wird nicht zuletzt davon abhängen, ob kleinere Parteien die Vierprozenthürde bei den Wahlen nehmen könnten. Sollten sie dies nicht erreichen, dann könnten die Sozialisten sogar eine absolute Mehrheit im Parlament erreichen. Keno Verseck

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