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Volksentscheid zur Bildungspolitik?

■ Schul-Chaos: Turbulente Sitzung des Gesamtelternbeirats

Bis auf den letzten Platz besetzt war am Donnerstag abend die Aula des Schulzentrums Sebaldsbrück bei der Sitzung des Gesamtelternbeirates (GEB) - einige Eltern mußten sogar stehen. Mehr als 300 ElternvertreterInnen wollten unter dem Thema „Fällt der Bildungsanspruch unserer Kinder der Sanierung der Bremer Finanzen zum Opfer?“ von Bildungssenator Scherf wissen, wann und wie in Bremen wieder geordneter Unterricht an allen Schulen stattfinden wird. Ein Elternvertreter bezeichnete dabei die Bildungsbehörde als „hochgradig inkompetente Verwaltungs-Behörde“.

In dieser aufgebrachten Stimmung hatte Scherf keinen leichten Stand. Das Wichtigste sei, so Scherf, aus den gemachten Fehlern zu lernen und sie in Zukunft zu vermeiden. Wenn es nicht gelinge, die dafür notwendigen Reformen innerhalb der Bildungsbehörde bis Ende Februar 1995 umzusetzen, trete er „noch vor den Wahlen zurück“ sagte Scherf noch einmal. Nach der Diskussion beschlossen die Eltern, einen Volksentscheid zum Thema Bildung auf den Weg zu bringen. Der Zentralelternbeirat soll bis zur nächsten GEB-Sitzung in ca. vier Wochen die formalen Kriterien dafür klären und einen inhaltlichen Vorschlag vorlegen.

Die ursprünglich für den 12. 10. angesetzte GEB-Sitzung mußte damals abgebrochen werden, weil der Raum zu klein für die versammelten 300 Eltern war. „Es hatte niemand mit einem so großen Interesse der Eltern gerechnet“, sagte Scherf dazu. Die Einsparungen im Bildungsbereich täten auch ihm weh, sie würden jedoch vom Bund und den Ländern erwartet. „Beim derzeitigen Sparzwang können wir nicht mehr alle Wünsche unserer Lehrkräfte berücksichtigen und auch keine neuen KollegInnen einstellen, sondern müssen den Bedarf durch Versetzungen decken“, entgegnete Scherf der Kritik der ElternsprecherInnen. Besonders im Bereich der Berufsschulen werde damit an bisherigen Tabu-Themen gerührt. Außerdem prüfe die Behörde sehr gründlich, welche Lehrkräfte mit welchen Qualifikationen in Schulen mit Lehrkräftebedarf versetzt werden können. „Das stimmt nicht“, sagte dagegen Gabriele Scholz, Elternsprecherin der Grundschule an der Osterholzer Heerstraße, „das läuft so, daß die Schulleiter eine bestimmte Zahl von KollegInnen ,abordnen' müssen“. Welche Kriterien sie dabei anlegen, bleibe ihnen überlassen. Gabriele Scholz ärgerte sich außerdem darüber, daß jetzt behauptet wird, die LehrerInnen seien unwillig, sich kurzfristig auf neue Klassen einzustellen. In manchen Fällen möge das stimmen, aber „auch eine sehr engagierte Kollegin an unserer Schule brauchte ein Jahr, um sich einzuarbeiten“, so Scholz. Das Problem bei den ,abgeordneten' LehrerInnen sei, daß sie dadurch oft an zwei Schulen gleichzeitig arbeiten. Von einem ,abgeordneten' Lehrer, der in Osterholz für zwei Stunden die Integration behinderter Kinder unterstützen sollte, berichtete Frau Scholz: „Es gab Tage, an denen er gar nicht an der Schule ankam, weil er im Verkehrs-Stau steckte, er wurde aber mit zwei Stunden mitgerechnet“.

In der Grundschule an der Osterholzer Heerstraße dauern die Unterrichtsstunden seit einem Jahr statt 45 nur noch 40 Minuten. Dadurch entstehen pro Klasse drei Extra-Stunden in der Woche, so daß „eine Minimalversorgung gewährleistet ist“, so die Elternsprecherin. Diese Regelung wurde einvernehmlich mit Kollegium und dn Eltern eingeführt. Auch die Schulaufsichtsbehörde unterstützt solche inneren Reformen, solange alle Beteiligten damit einverstanden sind, so Frau Elfenbein-Dietz aus dem Bildungsressort. Elke Gundel

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