Nach dem Rechten schauen

Mit dem BGS nachts auf S-Bahn-Streife / Das Berufsbild des Grenzschützers: weniger Respekt als zu Zeiten des Hauptmanns von Köpenick  ■ Von Barbara Bollwahn

Das waren noch Zeiten, als Gesetzeshüter vom Schlage eines Hauptmanns von Köpenick für Recht und Ordnung sorgten und dafür geachtet wurden. „Heute fehlt der Respekt bei der Bevölkerung“, stellt der Bundesgrenzschutzbeamte Dieter Knoll* fest. Damit könne er, mit seinen 25 noch jung an Jahren, ja leben. Aber daß er und seine Kollegen oft nicht nur „verspottet“, sondern manchmal sogar als „Mörder“ dargestellt werden, ärgert ihn schon. Wie um sich selbst in seiner Berufswahl zu bestätigen, fügt er hinzu: „Wenn man für Sicherheit sorgen will, muß man da durch.“

Als Knoll am Donnerstag abend das warme Büro der Wache im Hauptbahnhof verläßt, um die S 3 bis Erkner zu „befahren“, begleiten ihn zwei junge Frauen. Sie sind Polizeivollzugsbeamtinnen aus Neustrelitz, die einen Teil ihres Praktikums beim S-Bahn-„Befahren“ absolvieren. Hätte man ihnen vor fünf Jahren gesagt, daß sie eines Tages in BGS-Uniformen auf zugigen Bahnhöfen und in S- Bahnen nach dem Rechten (!) schauen würden, sie hätten es nicht geglaubt. Die 34jährige Anita Holm* war früher Bäckereibezirksleiterin, die 22jährige Bettina Karl* Maschinenbauzeichnerin. Probleme mit dem neuen Job? „Nö.“ Etwas Angst am Anfang? „Dann hätten wir nicht den Job genommen.“ Kurz und knapp sind auch die Gespräche, die die drei untereinander führen. Mit ernsten Gesichtern verteilen sie sich im Wagen. Die Fahrgäste nehmen kaum noch Notiz von den Grünuniformierten, die seit der Serie von Überfällen in S-Bahnen verstärkt anzutreffen sind.

Während bei vielen deutschen Fahrgästen Gelassenheit und auch Gleichgültigkeit vorherrscht, wählen die beiden italienischen Studentinnen, die im Bahnhof Ostkreuz einsteigen, gezielt den Wagen aus, in dem sie die BGSler sehen. Samstags, wenn zwar viel mehr Leute unterwegs sind, aber auch mehr passiert, dehnen sie ihre Streifzüge in der City lieber bis zum Morgengrauen aus, um der Nacht in der S-Bahn zu entgehen. Die zwei Vietnamesen im nächsten Wagen fühlen sich mit dem BGS im Abteil ebenfalls bedeutend sicherer, auch wenn ihnen bisher zum Glück noch nichts passiert ist.

Knoll, der als Göttinger seit drei Jahren „Aufbauhilfe“ im Osten leistet und davon träumt, Botschaftsgebäude des Auswärtigen Amtes in sonnigen Gefilden zu bewachen („aber da hat meine Frau auch ein Wörtchen mitzureden“), hält Ausschau nach „Jugendlichen, die sich in der Gruppe stärker fühlen“ und „Ausfallerscheinungen“ jeder Art. An allen Stationen wechselt das Trio den Wagen, auch wenn mal ein leerer dabei ist. Denn die Zeit zum Umsteigen ist kurz, die Schritte von einer Tür zur nächsten knapp bemessen. Oft reichen sie gerade bis zum „Zurückbleiben“. Und das gilt auch für den BGS. Auch wenn an diesem Abend recht wenig Leute unterwegs sind, durchlaufen Knoll, Holm und Karl alle Wagen. In einem sitzt ein einziger Fahrgast. Ob ihn das Verhältnis eins zu drei etwas verschrecke? Nein, das sei in Ordnung. Aber die Einsatzkräfte müßten in den nächsten Monaten wieder „zurechtgeschrumpft“ werden. Im übrigen habe er viel mehr Angst, wenn er nach dem Aussteigen in Rahnsdorf noch durch den Wald laufen müsse.

Der Streifenplan sieht einen Kontrollgang an sogenannten Schwerpunktbahnhöfen vor. Köpenick gehört dazu, wegen des nahegelegenen Stadions von Union Berlin. Der Vollmond läßt den Bahnsteig noch verlassener erscheinen. Knoll schaut kurz bei der Aufsicht vorbei. „Die freuen sich schon, wenn man mal hallo sagt“. Er nutzt auch gleich die Gelegenheit, von dort aus die Zentrale anzurufen, denn sein Funktelefon hat so weit draußen längst den Geist aufgegeben. „Wenn nichts passiert und man nur auf die Uhr schaut, vergeht die Zeit nicht“, sagt er und kommt nicht umhin, zur Bahnhofsuhr zu schielen. In zwanzig Minuten kommt der nächste Zug.

* Namen von der Red. geändert