piwik no script img

Päpste, Bücher, Schwellen etc.Fußwaschung

■ Ein Catholical in vier Aufzügen

1. Aufzug

Aus Anlaß des Osterfestes hat sich auf dem Petersplatz in Rom eine unübersehbare Menschenmenge versammelt. Sie harrt der traditionellen Ansprache des Papstes. Da endlich öffnet sich ein Fenster auf der rechte Seite des Platzes. Es ist – Il Papa.

Il Papa: (Niest.)

2. Aufzug

Ein Prunkgemach im Palastinneren. Schwere Vorhänge an den Fenstern. Auf dem Sideboard ein Gläschen Lacrimae Christi. Auf einem Lesepult aus dem Holz des Ölbaums vom Ölberg in Jerusalem liegt aufgeschlagen der neue Katechismus der katholischen Kirche. Davor der Autor, Joseph Kardinal Ratzinger.

Ratzinger: (Ringt die Hände so leidenschaftlich wie eine ganze Wochenendausgabe der FAZ): Il Papa ist krank.

Auftritt der von seiner Eminenz besonders geliebten Ministranten. Diesmal haben sich lauter internationale Verleger das Meßdienergewand übergeworfen.

Ministranten bzw. Verleger: ... est malade? ... is ill? ... krank? Il Papa?

Ratzinger: Dominus vobiscum. Er leidet. Er leidet unter dem Katechismus und weil er ihn nicht geschrieben hat. Il Papa wünscht ein Buch.

Ministranten (durcheinander): Buch ... Il Papa ... Il Bestseller ... Madonna mia, meine Millionen. Her damit!

Ratzinger: Ego tuos absolvo, aber im Ernst, meine Lieben: Ich kann euch einen vollkommenen Ablaß zusichern, wenn ihr sein Buch rausbringt.

Ministranten (durcheinander): Ablaß ... Lesereise ... Signierstunde ... Literarisches Quartett ... Nobelpreis.

Ratzinger: Festina lente, meine Lieben, der Reihe nach: Rizzoli – 1,5 Millioen Dollar; Hoffmann & Campe – 1,3 Millionen Deutschmark; Mondadori – 1 Milliarde Lire. Cash, wenn ich bitten dürfte.

Von der Vorhangstange erhebt sich jetzt eine Ringeltaube, Il Santo Spirito, Vorstand der gleichnamigen Vatikanischen Bank.

Il Santo Spirito: Ruckidiruckidi. (Scheißt auf die ausgebreiteten Verträge und schwirrt ab.)

Ratzinger: So meine Freunde, das hätten wir. Nunc dimittis, verzieht euch.

Ministranten: Il Papa? Das Buch?

Ratzinger: Gehet hin in alle Völker und verkündet die Frohe Botschaft, aber ein bißchen dalli! (Schüttet mit einem Schwapp die ganzen Lacrimae hinunter.)

3. Aufzug

Das Telegrafenbüro des Vatikans. Infernalischer Lärm: Über Ticker, Fax und Telefon kommen ständig neue Vorbestellungen herein. Joseph Kardinal Ratzinger steht am Kopierer, krault mit dem linken Zeigefinger im Nackenflaum des neben ihm stehenden Lieblingsmeßdieners und kopiert mit rechts Seiten aus dem Katechismus.

Ratzinger (trällert): Pange lingua gloriosi ... Luigi, tu doch gleich die Seiten rundfaxen; die internationalen Verleger warten. (Reicht ihm die Kopien.)

Ministrant: (faxt wie geheißen)

Ratzinger (wirft ein altes Chorhemd über den Käfig, in dem Il Santo Spirito hockt und alarmiert gurrt): Großer Gott, wi-hi-hi-rr lo-ho-ben Dich, Herr, wir prei- heisen Deine Stärke ... (und küßt den überraschten Luigi mitten auf den Mund). Hui!

4. Aufzug

In den Thermen tief unter dem Petersdom. Alles dampft. Sogar die Marmorwände schwitzen. Im Vordergrund eine noch von Michelangelo entworfene Luxusbadewanne aus Carrara, Il Papa sitzt am Rand und wäscht seine Füße in Unschuld.

Herein stürmt Joseph Kardinal Ratzinger, das Buch des Papstes in der erhobenen Hand: „Die Schwelle der Hoffnung überschreiten“.

Ratzinger: Papa, die Schwelle der Hoffung überschreiten!

Il Papa (sieht glücklich hoch und auf sein Buch; gibt seinem Kardinal dann einen langen glaubensbrüderlichen Zungenkuß)

In diesem Moment von links der angekündigte Überraschungsgast. Es ist kein Geringerer als Deus ex machina.

Deus ex machina (einen brummenden Fön in der Hand, den er ins Badewasser schmeißt): Die Schwelle der Hoffnung überschreiten!

Allgemeine Himmelfahrt.

Willi Winkler

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen