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All you need is cash

■ Die Treuhand zeigt als "letzten Dienst" vor ihrer Auflösung in einer Ausstellung Markenprodukte aus Ostdeutschland und will diesen damit den Westmarkt öffnen

Was haben die Bürstenfabrik Stützengrün und die Klarofix GmbH Leipzig gemeinsam? Einfache Antwort: Absatzprobleme. Damit haben sie sich für die Ausstellung „Test the East“ im Detlev- Rohwedder-Haus der Treuhand- Zentrale in Berlin-Mitte qualifiziert. Wie noch etwa 250 weitere Markenprodukte ostdeutscher Unternehmen. Die kurz vor der Abwicklung stehende Privatisierungsbehörde erweist den Ostbetrieben aus der Konsumgüterbranche mit dieser Schau noch einen, wie die Treuhand-Chefin Birgit Breuel sagt, „letzten Dienst“. Gleichzeitig tut sie damit aber auch den sich allmählich in den vorweihnachtlichen Geschenke-Kaufrausch versetzenden Berlinern etwas Gutes. Kriegen die doch nicht nur viel Nützliches und Unnützes zu kaufen, sondern mit dem Kassenbon gleich noch ein gutes Gewissen, ihren ganz persönlichen Beitrag zum Aufschwung Ost geleistet zu haben.

Denn der hat es trotz qualitativ bester Produkte aus den ehemaligen Volkseigenen Betrieben nicht leicht. Leider hätten die Qualitätsfortschritte in den vergangenen vier Jahren „wenig bewirken können, was sich in Marktanteilen messen ließe“, müssen selbst die Treuhand-Leute feststellen. So bezog zwar Ostdeutschland 1993 Waren und Dienstleistungen in Höhe von 250 Milliarden Mark aus den alten Ländern, aber liefern konnten sie dorthin nur für 36 Milliarden. Schuld daran sind vor allem die großen Handelsketten, die vor allem im Westen keine große Lust auf Importe aus dem Osten verspürten. Oder einfach nur keine Ahnung haben, was von da überhaupt noch zu holen ist. Deshalb bekamen sie jetzt von der Treuhand die dringende Empfehlung, ihre Lieferantenbeziehungen zu überprüfen und neu auszuhandeln. Immerhin stehen die Privatisierer nicht gerade toll da, wenn die von ihnen verkauften Betriebe in der Marktwirtschaft wegen mangelnden Absatzes dann doch absaufen. Also wurde noch mal gründlich nachgeschaut, was von der einstigen Rumpelkammer Ostwirtschaft übriggeblieben ist. Das ist so wenig nicht, jedenfalls namentlich. Ob der Haushaltsgerätehersteller „Foron“, die in der DDR legendäre Schuhcreme-Marke „Eg-Gü“ oder die Kosmetik-Firma „Florena“ – sie alle haben das rettende Ufer fürs erste erreicht. Manche, wie die Sektkellerei „Rotkäppchen“, sind sogar schon über den Berg.

Das Überleben wünschen die BesucherInnen, die überwiegend noch aus dem Ostteil kommen, auch den Ausstellern von Harzkristall, Zeulenrodaer Dessous, Kinderpuppenwagen aus Zeitz und Ketchup aus Werder, letzteres mittlerweile das leuchtende Beispiel für ein edles Ostprodukt schlechthin. Allerdings hat eine ältere Berlinerin noch ein großes Problem für die Ausstellungsstücke ausgemacht: „Jetzt, wo se so teuer jeworden sind, wolln sie die nich mehr habn. Aber wir sind doch keen Billichland. Da könnt ick de Wände hochjehn.“

Braucht sie aber nicht unbedingt; sie kann auch, nachdem sie sich vielleicht im Bistro mit ostdeutschen Spezialitäten gestärkt hat, ein paar Meter weitergehen zum Buchstand, an dem sich ostdeutsche Verlage präsentieren. Dort könnte sie unter anderem das Buch „Der Treuhand-Poker“ kaufen, das Einblicke in die „Mechanismen des Ausverkaufs“ verspricht. In Ergänzung ist auch der „Sozialreport 1992“ für die neuen Länder erhältlich. Sie könnte sich aber auch in einen der thematischen Workshops oder branchenspezifischen Aktionstage (zum Beispiel Sportgeräte, Spielzeug, Kosmetik) einschleichen über die Erfolgsaussichten des direkten Kontaktes „Anbieter Ost – Nachfrager West“ informieren. Bei der Gelegenheit wird unter anderem auch Treuhand-Sonderbeauftragter Klaus von Dohnanyi seine Schelte an die westlichen Firmen und Bundesländer wiederholen können, sie würden ostdeutschen Unternehmen zuwenig Chancen bei der Auftragsvergabe einräumen. Daß das Motto der Ausstellung „Test the East“ – trotz Anleihe beim Werbespruch einer Zigarettenmarke – mehr als Scham und Rauch verspricht, zeigt nicht nur das praktische Angebot in der stets überlaufenen Mini-Drogerie. Für ostinteressierte Leute mit etwas mehr Geld in der Tasche steht gleich nebenan noch die Tender- Box der Treuhand zum Einwurf bereit. Gefragt sind derzeit Angebote aus Ausschreibungen für Hotels in den ostdeutschen Provinzen.

Bis sich auch die Ostler verstärkt an diesem Monopoly beteiligen können, müssen sie jedoch eines besonders beherzigen. Was, das steht auf einer Krawatte aus Oberrodewitz: „All you need is cash.“ Gunnar Leue

Die Ausstellung ist bis zum 22. Dezember geöffnet, montags bis freitags von 9.30 bis 18 Uhr.

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