piwik no script img

Niedermachend -betr.: "Mißbrauch im Namen der Kirche" plus Kommentar, taz vom 21.10.94

Betr.: „Mißbrauch im Namen der Kirche“ plus Kommentar. 21.10.94

Sehr geehrte Frau Bolz,

mit Ihrem Artikel und dem Kommentar wollen Sie unerträgliche Mißstände in der Therapiescene aufdecken. Das wäre lobenswert, wäre nicht die gesamte Berichterstattung so tendenziös und niedermachend, daß sie die Therapiesuchenden eher mit Angst und Schrecken erfüllt als ihnen eine (...) Hilfe bei ihrer Suche nach einem Ausweg aus psychischer Not sein kann.

Mißbrauch in der Therapie ist ein für die Klienten katastrophales Geschehen, das unglückseligerweise immer wieder vorkommt. Bei Ärzten, Pastoren, Vertrauenslehrern, Psychotherapeuten, Sozialarbeitern und Erziehern.

Diesen Mißstand in der Kirche aufzudecken und daraus auf schlecht ausgebildete Berater und Therapeuten an kirchlichen Beratungsstellen zu schließen, ist vollkommen ungerechtfertigt.

Mitarbeiter kirchlicher Beratungsstellen werden vor ihrer mehrjährigen, fundierten und umfassenden Ausbildung einer sehr differenzierten Prüfung der eigenen Persönlichkeit, ihrer Belastbarkeit, ihrer Sensibilität, ihrer Selbsteinschätzung und ihrer Wahrnehmungsfähigkeit unterzogen. Außerdem sind sie verpflichtet, in einem vorgeschriebenen Rahmen regelmäßige Supervision zu nehmen, d.h. sich in ihrer Arbeit immer wieder von Kollegen in Frage stellen zu lassen.

Klienten, die Psychotherapie oder psychologische Beratung suchen, sollten ihren künftigen Therapeuten (...) fragen, ob und in welchem Umfang er sich dieser regelmäßigen und strikten Gegenkontrolle sowohl in Einzelsitzungen als auch in Gruppenarbeit unterzieht.

Titel oder Ausbildungsnachweise nutzen überhaupt nichts, wenn der Helfer seine schwere und verantwortungsvolle Arbeit nicht ständig unter Supervision reflektiert oder wenn er wegen eigener Persönlichkeitsschwächen dem Beruf nicht gewachsen ist.

Brigitte Spannuth

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen