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Nachschlag

■ „Fisch“: Performance bei den Westlichen Stadthirschen

„Fisch“ heißt die Theaterperformance zum Musikroman „Schlafes Bruder“ von Robert Schneider. Das hat auf den ersten Blick die Stringenz der Verbindung „Fisch-Fahrrad“. Daß Fische jedoch nur sprichwörtlich stumm sind, wird spätestens beim Tête-à-Tête vor dem Aquarium klar. In Schneiders Buch ist es gar so, als ersticke das Musik- und Hörgenie Elias selbst am Klangopus der Fische im Meeresdschungel. Im Theater zum Westlichen Stadthirschen jedoch kommt der Fisch aus der Dose oder hängt an der Wäscheleine. Es sind tote Fische, stumme Fische. Und doch: Ein endloses Gurgeln, Schmatzen und Surren umgibt die zwei Schauspielerinnen und zwei Schauspieler, den Geiger und einen unsichtbaren Sechsten (Mann, Frau, Katze, Kind?) sowie das Glas Milch vor X, dem oder der Unsichtbaren. In einer Regenrinne, die über die Bühne führt, plätschert es. Ansonsten übernehmen ein Teddy, ein Klavier, ein Fernseher, eine Videokamera und mehrere Radiorecorder, die unter der Decke hängen, Nebenrollen. Elf Kapitel hat das Bilderbuch, vier Performance-Themen (eines pro Nase, der Geiger gibt die Intermezzi) sind auszumachen. Eine knappe Inhaltsübersicht: musikalisch- dramatische Interpretationen von Mahler und Co. (nachdenklich geboten von Elisabeth Zündel, furios hingegen von Dominik Bender), eine Klage-Schluchz-Arie, unterlegt mit Textpassagen aus dem Roman (hinreißend traurig: Elisabeth Zündel), sowie eine geniale Synchrongeburt — Playback via Bildschirm und live auf der Bühne — zur Veranschaulichung der Live-Gier unserer Mediengesellschaft. Das sind Höhepunkte, neben denen es auch Performancekritzeleien gibt, die die Geduld des Publikums erproben. Andrea Naurath beispielsweise gleicht mit ihren endlosen Wasserträgergängen einer mechanischen Aufziehpuppe und bleibt weit unter ihrem schauspielerischen Niveau. Und doch öffnet vermutlich erst dieses unscheinbare Ereignis die Augen für das nachfolgende Bild. Mit Frischhaltefolie an die Säule gefesselt, rattert sie solange das Wort „Schweigen“, bis ihr ein Fisch zwischen die Zähne gesteckt wird. Irgendwann wird es mir dann klar: X, das ist der Fisch beim Glas Milch, und „Fisch“, das ist die kleine Form der Poesie. Petra Brändle

Weitere Vorstellungen bis 4.12., Fr-So, 20 Uhr, Theater zum Westlichen Stadthirschen, Kreuzbergstraße 37, Kreuzberg.

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