: Die Ostberliner Polizisten sind die letzten
■ Überprüfung wegen Stasi-Mitarbeit noch nicht abgeschlossen / Lehrer liegen vorn
Bei der Überprüfung der Stasi- Tätigkeit hinkt die Polizei hinterher. Während die Ostberliner Lehrer und Erzieher seit Inkrafttreten des Stasi-Unterlagengesetzes Anfang 1992 bereits zu 93 Prozent durchleuchtet wurden, sind bislang weniger als die Hälfte der insgesamt 7.611 gestellten Anfragen über Polizeibedienstete von der Gauck-Behörde beantwortet worden. Der Stasi-Landesbeauftragte Martin Gutzeit, der am Mittwoch abend im Haus der Demokratie eine Zwischenbilanz seiner Tätigkeit zog, zeigte sich dennoch mit der Berliner Praxis zufrieden. Bei der Polizei habe man von der Spitze her angefangen und widme sich erst jetzt der mittleren Ebene, begründete der ehemalige DDR- Bürgerrechtler die Dauer des Verfahrens. 363 Polizisten wurden bis heute entlassen oder müssen demnächst wegen Stasi-Belastung den Dienst quittieren. Bei den mittlerweile überprüften 16.666 Lehrern in elf Ostbezirken und Spandau wurden in nur 2,4 Prozent Hinweise auf eine Stasi-Tätigkeit gefunden – bei den Ordnungshütern liegt die Quote bei elf Prozent.
Daß in Berlin keine „Hexenjagd“, sondern eine „differenzierte“ und jeweils an den Einzelfällen orientierte Linie gefahren werde, belegte Gutzeit mit den Kündigungszahlen bei Lehrern: Bei nur einem Prozent wurde dieser Weg beschritten. Gutzeit wehrte sich gegen den Vorwurf, die Stasi-Überprüfung sei das Ergebnis einer „westlichen Okkupation“ oder „rigoroser Bürgerrechtler“. Der Wunsch nach Klarheit diene letztlich auch der „Selbstvergewisserung der Verwaltung“.
Eine hundertprozentige Überprüfung aller Verwaltungsmitarbeiter fand bis heute nur im Bezirksamt Mitte statt. Unter den 2.419 Rückläufen der Gauck-Behörde konnten bei 136 Mitarbeiter Erkenntnisse über eine Stasi-Zusammenarbeit festgestellt werden. Jeder Einzelfall wurde genau untersucht, wie Bezirksamts-Direktor Michaek Zernick gestern abend versicherte: Während 38 bereits freiwillig ausgeschieden waren, wurde bei 34 Personen eine Weiterbeschäftigung empfohlen und bei 46 eine Kündigung ausgesprochen. Das Verfahren, so Zernick, habe sich „gelohnt“. Schließlich müsse nicht nur zwischen Verwaltung und Arbeitgeber, sondern auch zwischen den Behördenmitarbeitern und dem Bürger ein Vertrauensverhältnis bestehen.
Auf die „Grauzone“ vieler Stasi-Kontakte wies der Arbeitsrechtler Thomas Lepke von der Senatsverwaltung für Gesundheit hin. So hätten in den Krankenhäusern viele Funktionsträger der SED und der Blockparteien aus ihrer beruflichen Stellung heraus mit dem Ministerium für Staatssicherheit Kontakte gehabt. Dies sei etwa bei rund 90 Prozent der Chefärzte der Fall gewesen. Bis zum September letzten Jahres wurden im Gesundheitswesen insgesamt über 767 Personen Einzelauskünfte erteilt. Von den 27 Kündigungen betrafen drei ehemalige Leitungskader. Wie schwierig die Rolle der Stasi-Überprüfung für die Interessenvertretungen der Beschäftigten ist, machte Yvonne Briese, Lehrerin und Personalrätin in Lichtenberg, deutlich. Am Anfang sei ihr klar gewesen: „Wer eine Einverständniserklärung unterschrieben hat, der kann nicht mehr mein Kollege sein.“ Doch die Kriterien stimmten in jenem Augenblick nicht mehr, wenn etwa ein Betroffener, der mit 16 Jahren seine Spitzeltätigkeit für die Stasi aufnahm, seine damalige Situation schilderte.
Severin Weiland
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