: Ost-SPD trotzt Bonner Baracke
■ SPD-Chefs in drei Bundesländern pflegen ihre Kontakte zur PDS / Stolpe warnt vor „Hysterie“
Schwerin/Stolberg (AFP/taz) – Trotz des strikten Kooperationsverbots von Parteichef Rudolf Scharping ist die Ost-SPD offensichtlich zu einer regelrechten Dialogoffensive mit der PDS entschlossen. Gestern sprach man in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern miteinander, am Mittwoch abend hatte der starke Mann der Ost-SPD, Manfred Stolpe, den PDS-Chef Lothar Bisky getroffen. Stolpe wertete nach dem Treffen den Widerstand seiner Bonner Parteifreunde gegen Kontakte zur PDS als „hysterische Positionen“. Diese seien „bei einigen Leuten“ in Bonn verbreitet, die „bis heute nicht die ostdeutschen Gepflogenheiten“ begriffen hätten.
Mit diesen harschen Worten bestätigte er Spekulationen, bei den Gesprächen handele es sich um einen gezielten Affront gegen die Bonner SPD-Zentrale, die derzeit alle Regungen im Osten daraufhin untersucht, ob sie dem guten Ruf des frischgebackenen Oppositionsführers Rudolf Scharping schaden könnten. Die Brandenburger SPD, so Stolpe weiter, werde sich nicht an „Ausgrenzungsattacken“ beteiligen. Ganz im Gegenteil gehöre der Kontakt zwischen der regierenden Mehrheitspartei SPD und der PDS-Opposition zum normalen demokratischen Umgang, punktuelle Zusammenarbeit durchaus eingeschlossen.
Damit wäre eigentlich der „Riesenkrach“ schon fällig, den Scharping seinen Freunden im Osten angedroht hatte, wenn es weitere Annäherungen an die PDS geben sollte. Doch bis gestern abend hüllte sich die Baracke in Schweigen. Offensichtlich haben Scharping und der SPD-Bundesgeschäftsführer Günter Verheugen die östlichen Öffnungsbestrebungen gegenüber der PDS erst unterschätzt und dann mit ihren offenen Drohungen gegen Ringstorff weiter verstärkt. Ein wirkliches Konzept zum Umgang mit der PDS kann die Baracke bislang nicht vorlegen.
Daran hat Gregor Gysi seine helle Freude. Zwar rechnet der gestern wiedergewählte Chef der PDS-Gruppe im Bundestag für Mecklenburg-Vorpommern mit einer Großen Koalition. Doch nach der Anti-PDS-Kampagne der CDU darf er jetzt die schleichende Anerkennung seiner Partei und die internen Kämpfe in der SPD genießen. Die PDS bleibt Hauptthema, und für Gysi sind die jüngsten Gesprächsrunden schon ein echter „Durchbruch“ – auf dem Weg seiner Partei zurück an die Macht? Lothar Bisky prognostizierte denn auch, es werde schon bald bundesweit ein Zeichen der Normalität sein, die PDS „einzubeziehen“. Gregor Gysi stimmte zu: Die ostdeutschen Sozialdemokraten begriffen, daß es notwendige gesellschaftliche Veränderungen in den neuen Ländern nur mit der PDS geben werde. Die Eigenständigkeit der Ost-SPD werde zunehmen, prophezeite er.
Sachsen-Anhalts Regierungschef Reinhard Höppner (SPD) bewies gestern diese Eigenständigkeit. In „sehr freundlicher“ Atmosphäre saß er mit der PDS-Fraktionschefin Sitte beieinander und betonte danach seinen Willen, mit den PDS-Abgeordneten „zusammenzuarbeiten und vier Jahre vernünftige politische Arbeit“ zu leisten. Sitte lobte eine „neue Qualität“. In Schwerin trafen sich gestern Ringstorff und Holter zum zweitenmal. Ringstorff ließ dabei deutliche Tendenzen zur Großen Koalition mit der CDU erkennen. Aber: Man will im Gespräch bleiben. eis
Kommentar Seite 10
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen