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Den DDR-Kollaps putzmunter überlebt

■ In Studentenclubs frönen nicht nur Studis einer wohldosierten Ost-Melancholie

Um halb zwei bricht die Putzkolonne los. Ein Dutzend Studenten wirbelt nur so durch das Konzertzelt in der Rostocker Südstadt. Die letzten Gäste des Studentenclubs „ST“ (Schiffstechnik) werden hinausgekehrt. Sie nehmen ihre Melancholie durch die Staubschwaden mit nach Hause. „Silly“ war da, „und es war so wie früher“. Gut tausend Studenten und andere Jugendliche fühlten sich angelockt.

Wer stellt schon, außer in Bayern, im klammen Oktober ein Zelt auf und hofft, daß Leute kommen und Stimmung? Studentenclubs im Osten der Republik. Die haben ihr Publikum und sind bestens organisiert. Die Studentenclubs dürften die einzige soziale Institution sein, die den Kollaps des ersten deutschen Staates der Arbeiter und Bauern überlebt hat. Und zwar putzmunter. Als der Freizeittreff der „Sektion Schiffstechnik“ noch von den Blauhemden der FDJ organisiert wurde, waren 25 Leute dabei. „Heute haben wir 35 bis 40 Mitglieder“, sagt Olaf über den „ST-Club“. „Wir“, meint er stolz. Sein Studium endete zwar schon 1989, „aber wenn du aus dem Club hier raus bist, dann biste noch lange nicht raus“.

Die Clubs bieten, auf den ersten Blick, nichts Besonderes. Das Bier ist billig. Live-Konzerte von DDR- Kultbands, meint Olaf, seien die große Zugnummer der Clubs.

Der Club bleibt Nische

Hinzu kommt die Übersichtlichkeit. Und der soziale Zusammenhang. Früher bauten sie sich daraus eine Nische in der und gegen die formal politisierte Gesellschaft. Auch heute fühlen sie sich, für Augenblicke, geschützt vor einem Draußen. Aber das sind nicht mehr die plakativen Politparolen, sondern die Unübersichtlichkeit und Fremdheit, die auch über die Studenten hereingebrochen sind. „Du mußt sehen, was das für ein Zusammenhang ist“, beschwört Anke das soziale Gefüge Studentenclub. Anke ist Olafs Frau.

Sie hat ihn, was Wunder, bei einem Ausflug mit dem „Club“ kennengelernt. Auch heute ist das Paar noch mit von der Partie, wenn es auf Reisen geht.

Und immer noch gibt es eine „Riesenfete“. Manchmal werden die Neuen dabei mit einer Art „Äquatortaufe“ in die Clubgemeinschaft aufgenommen. Bloß die Reiseziele liegen nicht mehr in der Tatra oder in Prag. Dänemark und Schweden sind angesagt. „Nichtsozialistisches Wirtschaftsgebiet“ hieß das früher und war: unerreichbar.

Weit weg ist heute das sozialistische Deutschland, Vergangenheit. Seine spezielle Atmosphäre, verschwunden. Rückholbar nur für ein paar Stunden. Vor allem bei Live-Konzerten in Studentenclubs wie dem „ST“. „In diesen Liedern hast du deine Träume gesehen“, schwärmt Mark über die Texte der DDR-Rocker um Tamara Danz. Im Westen kennt sie – nahezu – keiner. Im Osten sind sie – immer noch – Kult. Auf dem harten und kalten Betonboden halten die Jugendlichen Feuerzeuge hoch. Schnippen sie wieder an, wenn eine steife Brise durchs Zelt weht. „Kennste bataillon d'amour?“ fragt Mark. Der 20jährige stockt. „Das ist – na, vielleicht wie deine erste Liebe. Mit 13 oder so.“ Damals, als die Mauer fiel, war er 15. Heute weiß er Melancholie wohldosiert zu zelebrieren. Nein, er gehe nicht häufig in den Club. Student ist er auch nicht – Kommunikationselektroniker. Dann zieht er gar nicht „ostalgisch“ von dannen. Und seine Clique zeigt sich als eine Mischung aus Hippies und „NY“- Streetballtypen. Christian Füller

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