: Bomben auf Bosnien?
UN fordert Nato-Luftunterstützung gegen bosnische Armee an / Wieder Granaten auf Sarajevo ■ Von Erich Rathfelder
Sarajevo (taz) – Die UN- Schutztruppen in Bosnien schließen Nato-Luftunterstützung gegen die bosnische Armee nicht mehr aus. Das sagte der französische UN-Hauptmann Jacques Lechelvallier gestern auf einer Pressekonferenz in Sarajevo. Aktueller Hintergrund ist die Weigerung der Regierungstruppen, sich aus Positionen am Berg Igman in der demilitarisierten Zone um Sarajevo zurückzuziehen, von denen aus sie die für die bosnisch-serbische Armee wichtige Straßenverbindung Pale-Foća bedrohen können.
Seit Tagen fordert der UN- Oberkommandierende für Bosnien, der englische General Michael Rose, die bosnischen Truppen zum Rückzug auf. Doch statt dessen nahm deren Führung nur einen Teil ihrer Soldaten zurück und griff am Samstag morgen südlich der umstrittenen Positionen serbische Stellungen an. Während der folgenden heftigen Artillerieduelle schlugen vier Granaten in der Nähe eines französischen Postens ein. Bosnische Regierungssprecher verneinten umgehend jegliche Absicht zum Angriff auf die UNO-Stellung. Ivo Komšić, Mitglied des bosnischen Staatspräsidiums und Vorsitzender der „Kroatischen Bauernpartei“ HSS in Bosnien, betonte am Samstag in einem Interview mit unserer Zeitung, die bosnischen Truppen würden sich sofort aus den umstrittenen Stellungen zurückziehen, wenn die serbische Seite die Stellungen verließe, die die für Sarajevo wichtige Straße zwischen dem Flughafen und dem freien Bosnien bedrohten.
Komšić beschuldigte General Rose, durch seine Weigerung, diese Straßenverbindung zu schützen, einseitig Partei für die serbische Seite zu ergreifen. Nach Angaben von UN-Hauptmann Lechelvallier wolle die UNO zwar nicht beide Probleme miteinander verquicken. Der UN-Offizier gab jedoch zu, daß der serbische Nationalistenführer Karadžić Druck auf Rose ausgeübt habe: Erst wenn die bosnische Armee sich aus den Stellungen am Igman zurückzöge, werde von serbischer Seite aus die Versorgung der UNO-Truppen nicht mehr behindert. Nach inoffiziellen UN-Angaben wurde gestern bei einem Treffen zwischen Rose und Karadžić auch darüber verhandelt, wieviel Treibstoff als Kompensation von der UNO an die serbische Seite geliefert werden müsse. Die serbische Forderung belaufe sich auf 50 Prozent des UN-Bedarfs.
Dagegen weigerte sich Lechelvallier, nähere Angaben über die Herkunft der mehr als zehn Granaten zu machen, die am Freitag und Samstag in Sarajevo eingeschlagen waren und ein Kind getötet und sieben weitere verletzt hatten. Angeblich waren die Detektoren, die der UNO seit Februar dieses Jahres zur Verfügung stehen, defekt, so daß die Herkunft der Geschosse derzeit nicht ermittelt werden könnte. General Rose könnte jedoch erst nach einer Untersuchung entscheiden, welche Maßnahmen gegen die Urheber des Angriffs zu ergreifen wären. Granaten auf Sarajevo sind nach der bisherigen Beschlußlage des Weltsicherheitsrates Anlaß für Strafaktionen der Nato.
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