: Blauhelm-Einsatz im Weserstadion
■ Ungewißheit über die Lage beim Spiel Werder-Rotterdam / 250 Soldaten in Zivil kommen ins Stadion
250 Bundeswehrsoldaten werden am Donnerstag abend in Bremen ihren ersten Blauhelm-Einsatz haben: Zwischen zwei rivalisierenden Volksgruppen stehen und Schlimmeres verhüten. Werder Bremen hat nach Angaben von Geschäftsführer Wolfgang Barkhausen gegenüber der taz 250 Freikarten für das Europapokalspiel Werder-Feyenoord Rotterdam an die Bundeswehr in Bremen verteilt. Die Soldaten sind in Zivil und als Zuschauer eingeladen, und natürlich ganz ohne Hintergedanken: „Das ist ein normaler Vorgang, beim letzten Europapokalspiel gegen Tel Aviv hatten wir Bremer Fußballvereine eingeladen.“
Ungelegen kommen den Werder-Managern 250 kräftige und disziplinierte junge Männer im Stadion allerdings nicht. Denn nach den Regeln des Europäischen Fußballverbandes (UEFA) ist das anstehende Match ein Spiel mit höchster Sicherheitsstufe, weil mehr als 3.000 Fans aus dem Ausland anreisen. Dann dürfen nur die Häfte der Stehpatzkarten verkauft werden und die Fans in getrennten Blöcken untergebracht werden, mit „Pufferzonen“ dazwischen. Außerdem müssen „verkehrslenkende Maßnahmen“ ergriffen werden. Es werde „sehr intensive Sicherheitsvorkehrungen“ geben, meinte Barkhausen, denn bei den Rotterdamer Fans „werden wohl auch ein paar Störenfriede dabeisein.“
Was genau auf Bremen und das Weserstadion zukommt, ist ungewiß. Polizei und Innenbehörde warnen davor, einen Konflikt herbeizureden und „treffen die nötigen Vorbereitungen“. wie es von der Polizei heißt. „Die Fans aus Rotterdam werden auf vorbestimmten Wegen ins Stadion geführt“, erklärte Werder-Manager Willi Lemke gestern der deutschen Presseagentur. Wenn er da mal nicht zuviel versprochen hat. Denn eine Nachfrage bei der Polizei ergibt, daß die Rotterdamer UnterstützerInnen so ziemlich alle Verkehrsmittel nutzen werden, und das den ganzen Tag. Das heißt, die Vorstellung von einem großen Block, der mit genügend Polizei kontrollierbar wäre ist Illusion. „Wir werden den ganzen Tag mit einem großen Polizeiaufgebot präsent sein“, sagte gestern ein Sprecher. „Natürlich gibt es Hinweise, daß wir mit gewaltbereiten Fangruppen zu rechnen haben, und zwar von beiden Seiten. Wir lassen uns aber durch die Panikmache nicht anstecken.“ Nähere Auskünfte über Taktik oder Stärke der Polizei werden nicht erteilt.
Sicher ist nur, daß es beim Hinspiel in Rotterdam nicht zu Ausschreitungen kam, weil die holländische Polizei das kleine Häuflien der 350 Bremer Fans hermetisch abgeriegelt in und aus dem Stadion schleuste und daß Bremer Journalisten, einmal als Deutsche erkannt, von holländischen Hooligans verprügelt wurden. Sicher ist auch, daß es aus nachbarschaftlicher Rivalität zwischen deutschen und niederländischen Fußballfans immer wieder knallt. Sicher ist schließlich, daß die Feyenoord-Fans als „hart“ gelten und nach Auskunft von Kennern auch bei Spielen in Holland Angst verbreiten.
Erst vor wenigen Tagen war ein Spiel zwischen den Mannschaften von Twente Enschede und Feyenoord vom Enscheder Bürgermeister abgesagt worden: Er habe nicht genug Polizisten zur Verfügung. Entsprechend verwundert sind die holländischen Verantwortliochen über die Sorgen der Deutschen. Beim Hinspiel in Rotterdam sei doch eigentlich gar nichts passiert, sagte der Feyenoord-Präsident Jorien van den Henrik in einem Interview mit der in Amsterdam erscheinenden Tageszeitugn „De Volkskrant“. Das sei ein „netter Abend“ gewesen. Werder habe die Atmosphäre vor dem Rückspiel künstlich aufgeheizt. Werder-Spieler, der Trainer und die Betreuer hätten sich nach dem Hinspiel über die angebliche Härte der Holländer beschwert, um von der eigenen „peinlichen Niederlage“ abzulenken. Und das Engagement von Rudi Carrell als Stadionsprecher hätte genau das Gegenteil von dem bewirkt, was beabsichtigt gewesen wäre. Er könne es nur begrüßen, daß der Entertainer seinen Auftritt abgesagt hebe, sagte Van den Henrik im Volkskrant vom Montag: „So ein Europacup-Spiel ist keine Operette. Der Mann hätte auf unsere Fans gewirkt wie ein rotes Tuch auf einen Stier.“
Viele Niederländer nehmen Carrell nach wie vor übel, daß er sich einige Male abfällig gegenüber seinere früheren Heimat geäußert hat. „Wenn er sich dann so engagiert, dann schürt er nur Aggressionen“, sagte ein in Bremen lebender Holländer. „Das hat aber rein gar nichts mit dem deutsch-holländischen Verhältnis zu tun. Jeder andere Holländer wäre als Stadionsprecher begrüßt worden.“
Der Feyenoord-Präsident macht sich unterdessen nur um eines Sorgen: Daß Werder so restriktiv beim Kartenverkauf vorgegangen sei (beim letzten Heimspiel warnten Schilder an den Kassenhäuschen davor, die Tickets für das Spiel weiterzugeben), habe dazu geführt, daß sich rund tausend Holländer andere Karten besorgt hätten und am Donnerstag zwischen die Werder Fans geraten werden. „Ich werde froh sein, wenn es erstmal Freitagmorgen ist. Ich hoffe, daß ich dann pfeifend aufstehen kann, und wenn schon mit einem schweren Kopf, dann nur vom Trinken.“
bpo/J.G.
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