: Intellektuell, offen und human
■ HfBK: Der Architekt Daniel Libeskind erläuterte sein Konzept des Jüdischen Museums Berlin
Es gibt in der Architektur nur wenige „befreiende“ Geister. Zwar existieren viele kluge Konzepte und innovative Theorien über zeitgenössische Architektur (wenn auch nicht in Hamburg), aber dazu gehören fast genauso viele Gockel. Deswegen kann man sich glücklich schätzen, wenn ein Architekt ausnahmsweise Intellektualität, freundliche Offenheit, politische Ansprüche und humane Maßstäbe in sich vereint und dazu noch von außergewöhnlichem Formwillen beseelt ist, wie Daniel Libeskind.
Als unermüdlicher Gegner von starren, rückwärtsgewandten Architekturkonzepten und ideologischen Denkverboten versorgt er zwar – wie bei dem verspäteten Semestereröffnungsvortrag an der Kunsthochschule am Montag – jede intellektuelle Kurzatmigkeit mit frischen Sauerstoff. Gleichzeitig bekommen aber gerade radikal zeitgenössische Praktiker wie er die Kollektiv-Bestrafung mächtiger Kollegen zu spüren, deren beschränkter Horizont bei der Vergabe von Bauaufträgen zur Wagenburg-Mentalität führt.
Diese Erfahrung mußte der amerikanische Architekt mit Wohnsitz Berlin in seiner Wahlheimatstadt gerade machen. Obwohl Libeskind mit dem Erweiterungsbaus des Berlin-Museums durch die Abteilung Jüdisches Museum momentan eines der bedeutensten Architektur-Projekte weltweit realisiert, hat sich, nach seiner Aussage, „die Atmosphäre in Berlin in den letzen zwei Jahren derartig dramatisch verschlechtert“, daß er nun die Stadt Richtung Los Angeles verläßt. Die konservativen Ideologen um Kleihues, Sawade, Lampugnani und Oberbaudirektor Stimmann, die Berlin im festen Stein einer preußischen Architektur in alter herrschaftlicher Unherrlichkeit wiederauferstehen lassen wollen, sind die direkten Verursacher dieser feindlichen Stimmung, über die sich auch andere berühmte Architekten wie Richard Rogers oder Jean Nouvel beklagt haben.
Vielleicht hat jenes Jüdische Museum den federführenden Berliner Architekten ihre eigenen Denk- und Konzeptionsdefizite so kraß veranschaulicht, daß man nur mit deutschem Korpsgeist reagieren konnte. Denn der zickzackförmige Bau kommt auf so vielen unterschiedlichen Ebenen zu schlüssigen Ergebnissen, daß die schamlose Ideologie der kubischen Funktionsklötze mit Lochfassaden, wie sie wohl das zukünftige Berlin unter sich ersticken wird, so richtig offen zu Tage tritt.
Ein zerbrochener Davidstern, imaginäre Linien zwischen den ehemaligen Berliner Wohnorten jüdischer Künstler, das Fehlen der Juden in der Berliner Gesellschaft und die fragmentierte Wirklichkeit von Geschichte und Tradition verbindet Libeskind sowohl metaphorisch-poetisch wie konkret sinnlich erfahrbar in dem komplexen Gebäude, daß 1995 eröffnet wird. Um einen fluchtartigen Leerraum herum, der sich durch alle Innenräume fortsetzt, aber an den Außenwänden endet, und so die Vernichtung jüdischen Lebens in Berlin immer wieder neu erfahrbar macht, hat Libeskind das Museum ohne Tür herumgebaut. Im krassen Dialog zu dem barocken Altbau, der die unterirdische (unterbewußte) Verbindung zur Außenwelt schafft, werden Elemente der Spiegelung, der Zerstückelung, der Dialektik und der Spiritualität von Geschichte – persönlicher wie staatlicher Natur – immer wieder neu und poetisch interpretiert.
Diese romanhafte Art, den Genius loci metaphorisch zu dekonstruieren, legt aber gleichzeitig Wert darauf, keine Architektur zu sein, „die nur für Intellektuelle gemacht ist“. Eindrücke aus großförmigen Modellen beweisen dann auch, daß hier wirklich neue Raumeindrücke entstehen werden. Leider weit weg von Hamburg. Till Briegleb
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