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„Manchmal wie in einem Käfig vereinsamt“

■ Interview mit Ex-SPD-Chef Ditmar Staffelt: Es gibt noch mehr als unmittelbare Politik

taz: Wie fühlen Sie sich, einen Tag nach Ihrem Rücktritt?

Ditmar Staffelt: Es ist noch ein etwas undefinierbarer Zustand. Was jetzt beruflich geschieht, weiß ich noch nicht.

Warum haben Sie sich angesichts der Vorbehalte in der SPD noch um die Spitzenkandidatur beworben?

Es gab ja auch sehr viele, die mich ausdrücklich dazu ermuntert haben. Es war meine ureigene Entscheidung, die Ämter aufzugeben und nicht mehr zur Spitzenkandidatur anzutreten. Es ging ja nicht darum, ob man nach Mallorca oder auf die Bahamas reist – wer eine solche Aufgabe übernimmt, muß sich auch über die Folgen für das persönliche Leben, für die psychische Belastung im klaren sein.

Es bleibt der Eindruck, dies sei unmittelbar auf die Kandidatur der Sozialsenatorin Ingrid Stahmer zurückzuführen.

Damit hat mein Schritt nichts zu tun, auch wenn es mir vielleicht nicht alle abnehmen werden. Wer mich besser kennt, weiß, daß ich seit längerer Zeit darüber nachgedacht habe, ob ich auf Dauer Berufspolitiker bleiben möchte. Die Frage konnte nicht vor den Bundestagswahlen öffentlich beantwortet werden – ich selbst hatte mich aber zum damaligen Zeitpunkt innerlich schon entschieden.

Der Job eines Berufspolitikers ist also nicht zu empfehlen?

Es ist eine sehr spannende, aber strapaziöse und das gesamte Leben beanspruchende Tätigkeit. Ich habe meine Arbeit sehr gerne getan. Aber man muß sehen, daß es auf der Welt noch mehr gibt als die unmittelbare Politik. Ich muß offen gestehen, daß man in Spitzenpositionen manchmal wie in einem Käfig vereinsamt.

Fühlen Sie sich von der eigenen Partei im Stich gelassen?

Ich habe eine Menge Solidarität erfahren. Man muß auch einmal sehen, was bewegt worden ist: Von Rot-Grün 1989 bis zur jetzigen Großen Koalition sind wir bei der Modernisierung und der Einheit der Stadt ein gutes Stück vorangekommen. Sicherlich hat es immer wieder Rangeleien, auch Illoyalitäten gegeben. Aber so ist das nun mal in der Politik.

Wer in der sozialdemokratischen Partei eine Spitzenposition aufgibt, scheint stets sehr tief zu fallen.

Sicherlich gibt es einen Verschleiß, wenn man sich anschaut, wie viele Landesvorsitzende die SPD in den letzten Jahren verbraucht hat. Ich begreife meine jetzige Entscheidung aber nicht als tiefen Fall. Im Gegenteil: Ich habe mir den Zeitpunkt ja selbst ausgesucht. Weder bin ich aus dem Amt getragen worden, noch mußte ich aus politischen Gründen zurücktreten. Interview: Severin Weiland

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