: Drogen-Ermittler war „naiv“
■ Neue Polizei-Version, wie Focus beim Denunzieren geholfen wurde
Sieben Monate nach einer Durchsuchungsaktion im und über dem „Waller Biergarten“ ist Bremens Polizei jetzt mit einer Version des Hergangs an die Öffentlichkeit getreten, die nicht mehr im krassen Widerspruch zu Aussagen von Zeugen und der Tatsache steht, daß über die Polizeiaktion Ende September mit einem Foto im Münchener Magazin „Focus“ berichtet worden war (vgl. taz vom 7. und 19.10.). Auf dem „Focus“-Foto war neben dem stümperhaft geschwärzten Gesicht des Polizei-Ermittlers S. der in Bremen mit Asylberechtigung lebende Kurde Sait Bilgin zu sehen. Unterzeile und Text denunzierten ihn mit Verweis auf „V-Mann-Erkenntnisse“ als „brutalen PKK-Kassierer“.
Die Existenz von V-Männern der Bremer Polizei oder des BKA war allerdings von Bremens stellvertretendem Polizeipräsidenten Albert Lohse bereits direkt nach der „Focus“-Veröffentlichung bestritten worden. Gegen Bilgin habe es auch kein Ermittlungsverfahren in solch einem Zusammenhang gegeben.
Während die Polizeiführung bislang allerdings stets bestritten hatte, daß Focus-Reporter den Drogenfahnder S. Anfang April nach Walle begleitet hätten, bestätigte Lohse jetzt diese durch einen Fotovergleich der taz offensichtlich gewordene Tatsache. „Focus“-Mitarbeiter seien nicht nur im September 1993 und im Februar diesen Jahres, sondern eben auch Anfang April bei Einsätzen der im Brommyplatz-Revier beheimateten „Sonderermittlungsgruppe Drogenkriminalität“ mitgefahren. Allerdings habe es im April, als ein „Focus“-Reporter bei der Aktion im und über dem Waller Biergarten dabei war, im Unterschied zu den vorhergegangenen Terminen keine offizielle Genehmigung für diese Pressebegleitung gegeben.
„Der Focus-Reporter ist im April direkt an den ihm bereits bekannten Drogenfahnder S. herangetreten“, berichtete Lohse jetzt nach einem Gespräch mit dem Beamten. Der habe den Reporter dann ohne weitere Genehmigung auf seine Einsätze mitgenommen und sich darauf verlassen, daß die dabei geschossenen Frontalfotos nicht veröffentlicht würden – „ein Verhalten, das ich für ziemlich naiv halte“, so Lohse. Er bedauere die „Focus“-Veröffentlichung und habe den Ermittler S. „ermahnt“.
An Sait Bilgin sei der Drogenfahnder im April nur indirekt und per Zufall geraten. Am Bahnhof habe er einen Mann aufgegriffen, der sich nicht ausweisen konnte. Als S. ihn zur Personalienfeststellung nach Hause begleitet habe, sei er in dessen Wohnung auf Plakate und Flugblätter der PKK aufmerksam geworden. Die würden seinem Mitbewohner Sait Bilgin gehören, habe der Mann erklärt. Daraufhin habe S. Bilgin gleich anschließend in dem direkt unter seiner Wohnung liegenden „Waller Biergarten“ aufgesucht und verhört. Bei der Polizei sei dieser Vorgang dann allerdings nie aktenkundig geworden, sagte Polizeichef Lohse. Ase
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