piwik no script img

Früher war's wie in Italien

Borussia Dortmund erreicht durch ein souveränes 3:0 gegen Bratislava die 3. Runde des UEFA-Cups / Die Fans haben zwiespältige Gefühle  ■ Aus Dortmund Petra Höfer

Ein paar von uns haben diese T- Shirts, auf denen steht: „Dortmund ist wie Italien“. Das hat Stefan Reuter gesagt, damals, als er hier anfing. Und wir haben uns das alle gut gemerkt und uns daran gewärmt in jenen Tagen, als man nie wissen konnte, wie ein Spiel im Westfalenstadion ausgehen würde. In jenen Tagen wurden wir Vizemeister (das war schöööön) und die Südkurve zur Legende. Italienischer als Italien, weil sie auch im Jammertal jubelte und bei schlimmen Niederlagen noch lustige Liedchen sang, die die anderen Tribünen dann beklatschen konnten, an jenen Tagen, an denen es sonst nicht viel zu klatschen gab. Ich erinnere mich zum Beispiel immer wieder gern an die Europacup-Niederlage gegen Genua, als die Südkurve nach einem Tor der Italiener die geniale Zeile „Nie wieder Pizza“ intonierte. Damals war Dortmund besser als Italien.

Heute ist Dortmund ein bißchen wie Werder Bremen. So zuverlässig, daß uns das schwer zu schaffen macht. Gerne würden wir unserer Mannschaft auch im Elend zur Seite stehen. Aber die spielen einfach zu gut, zu solide, so werdermäßig. Wir gewinnen dauernd und müssen wirklich aufpassen, daß wir uns nicht zu langweilen anfangen oder sich sonstwie schlechte Sitten einschleichen.

Vor knapp zwei Wochen zum Beispiel standen wir alle vor der Dortmunder Geschäftsstelle Schlange. Eine ziemlich lange Schlange, die sich gegenseitig versicherte, daß heute morgen die Schlange noch länger gewesen wäre, und morgen würde sie bestimmt fürchterlich, denn morgen wäre ja der letzte Tag, an dem wir Dauerkartenbesitzer unsere Europacup-Karten kaufen könnten. Dafür stehen wir hier gern ein bißchen Schlange. Bloß daß der grantelnde Ordner den Zutritt zur Geschäftsstelle in Fünfergruppen regelte und wir im Nieselregen warten mußten, fanden wir ein bißchen blöd. „Entschuldigung“, sagte da ganz clever die Begleiterin des BMW-Fahrers, der gerade sein Auto aus der Einfahrt wegfahren mußte, „könnte ich bitte gleich die Karten fürs nächste Europacup- Spiel mitkaufen?“ Nein, sagte die Dame an der BVB-Kasse, das ginge leider nicht, weil jetzt käme erstmal Slovan Bratislava, und da wüßten wir doch noch gar nicht...

Wußten wir doch. Weil, Dortmund ist im Moment einfach wie Werder Bremen. Da geht alles so, wie man es erwartet. In den ersten 45 Minuten spielte Andi Möller, einfach „die beste Halbzeit, die ich je gespielt habe“, so schnell, daß sich sogar der Trainer erschrak, „weil er das keine 90 Minuten durchhalten kann“. Und in der 15. Minute machte Andi dann sein Tor: Vorlage Stephane Chapuisat, Riedle köpfte an den Pfosten (Gott sei Dank, wir sind eben doch nicht Werder Bremen), Möller staubte ab.

Danach haben wir uns dann ein bißchen erschrocken, weil Bratislava durch Maixner hätte ausgleichen können. Dann wäre Dortmund vielleicht wieder wie Italien – aber auch aus dem UEFA-Cup gewesen. Da waren wir lieber noch ein bißchen Werder und freuten uns in der zweiten Halbzeit, als Steffen Freund nur 36 Sekunden nach Wiederanpfiff so aufs Tor schoß, daß Kalle Riedle fürs 2:0 nur noch das Schienbein hinhalten mußte.

Wir haben mit der Südtribüne „Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Schönste, was es gibt auf der Welt“ gesungen und daran gedacht, daß Max Merkel unseren Kalle noch vor wenigen Monaten der deutschen Lufthansa schenken wollte, weil der Italienheimkehrer immer dann den Luftraum beherrschte, wenn gerade kein Ball oder kein Tor in der Nähe war. Kalle – übrigens auch ein Ex-Werderaner – sagt später im Fernsehen, daß man sich mit solchen Toren aus einem „Kackjahr“ schießen könne. Und Steffen Freund meint, es wäre „scheißegal“, wem das Tor gehöre, Hauptsache es sei gefallen. Da fühlten wir uns wieder richtig gut. So reden keine Hanseatentöchter.

Zugegeben, das 3:0 in der 68. Spielminute sah dann wieder aus wie original Bremer Rasenschach aus dem Fußballehrbuch: genialer Paß Caesar (ansonsten aber immer für einen kleinen Klops in der Deckung gut), genialer Paß Chapuisat, Riedle mußte „nur noch die Sohle hinhalten“. So gewinnen wir gern. Und weil wir uns kurz vor Schluß ziemlich italienisch gefreut haben, daß wir jetzt im Achtelfinale sind, weiß ich nicht mehr, wer von uns das Abseitstor zum Schluß geschossen hat. Ist aber auch egal. Da sind wir nicht so genau. Dortmund ist eben doch wie Italien. Und nächsten Sonntag werden wir dann sehen, ob wir Werder sind. Oder vielleicht doch die Bremer.

Slovan Bratislava: Molnar - Tittel - Sobona, Zeman - Stupala, Rusnak, Nigro (71. Faktor), Tomaschek, Kinder - Maixner (58. Pecko), Timko

Zuschauer: 32.534

Tore: 1:0 Möller (15.), 2.0 Riedle (46.), 3:0 Riedle (68.)

gelb-rote Karte: Sobona (65.) wegen wiederholten Foulspiels

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen