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■ SoundcheckCharles Gayle / The Five Blind Boys Of Alabama / Die Kastrierten Philosophen

Heute abend: Charles Gayle. Jazz als Struktur kann immer noch die freieste Musik der Welt sein. Charles Gayle, herausragendes Beispiel hierfür, hat diese Freiheit lange Zeit gelebt - seit den späten 60ern lebt und spielt er in den Straßen von New York. Erst nach 20 Jahren solch vollkommen ungebundenem Daseins mit Musik entdeckte die auf Freiheit und Ausdruck spezialisierte Avantgarde-Zentrale „Knitting Factory“ dieses Potential und ließ den gestandenen Saxophonisten seitdem in unterschiedlichen Konstellationen überdacht auftreten. In jedem Falle kündet Gayles Spiel von seiner Erarbeitung der Musik, drängt aus allen Poren und ist keinerlei schönklingender Zugänglichkeit verpflichtet. Freejazz, so der Versuch einer Bezeichnung, ist hier kein abgehoben-akademisches Gespinst, sondern die pure Vitalität. Wen die formatierte Musik dieser Tage langweilt, der kann bei Gayle dieses Leben spüren.

Uschi Steiner

Marx/Markthalle, 21 Uhr

Heute abend: The Five Blind Boys Of Alabama. Gospel ist das glühende Urelement, aus dem alle Spielarten von Soul bis Blues und Rock geschmiedet sind. Die Urgewalt des gemeinsamen Singens verknüpft mit der hoff-nungsvollen Haltung, daß das Leben schön sein oder werden kann, wenn man es richtig betrachtet, sorgen für die vulkanische Emotionsgewalt. Dabei läßt sich schnell vergessen, daß es hier um Gott geht – der ja tatsächlich mehr Anlaß als Grund für die kollektive Ekstase ist –, und somit kann jeder Teilhaber der Big Family of Love and Happiness werden. Die Blind Boys sind als feurige Prediger des Gospels und melancholische Zauberer des Blues heute die honorigen Gastgeber.

St. Johannis, Turmweg, 20 Uhr

Heute abend: Die Kastrierten Philosophen. Sie sind die dienstälteste „Indie“-Band der Stadt und daß es sie überhaupt noch gibt, verdanken sie vielleicht weniger der persönlichen Zusammengehörig-keit als der konsequenten musikalischen Fortentwicklung ihres Projektes. Katrin Achinger und Mathias Arfmann haben über die Jahre Wege gefunden, die ihre atmosphärische Verwunschenheit mit musikalischer Coolness in Einklang bringt, und damit etwas völlig Eigenes ergibt. Ihre neue CD Souldier ist neben Cpt. Kirks letztem Spätwerk das musikalisch sicherlich reifste Werk der Hamburger Musikszene.

Fabrik, 21 Uhr

Außerdem: Von uns schon oft und viel gepriesen: das akustisch-ekstatische Welt-Kneipen-Musik-Werk Il Gran Teatro Amaro, heute auf Kampnagel (21 Uhr).

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