■ Nachgefragt: „Auf der gleichen Seite“ wie die PDS“
taz: Sie haben eine Verzahnung der Politik von SPD und PDS gefordert. Was meinen Sie damit?
Henning Scherf: Ich bin dafür, daß wir die Arbeit insbesondere in den neuen Ländern nicht mit der Wiederholung der Berufsverbots-Debatten der 70er Jahre belasten. Ich bin dafür, daß wir von konkreter Entscheidung zu konkreter Entscheidung uns genau angucken, für was die SPD steht und mit wem sie es bei der PDS zu tun hat.
Und da gibt es eine ganze Reihe von Fällen, in denen ich mir gut vorstellen kann, daß wir auf der gleichen Seite, auf der auch die PDS kämpft, uns einsetzen. Nämlich wenn es darum geht, sozialpolitische Leistungen unter extremem Kostendruck zu verteidigen. Die Frage ist dann: Bin ich auf der richtigen Seite oder lasse ich mich durch irgendjemanden wegagitieren von einer inhaltlichen Position, weil die von mir nicht geliebte PDS dabei ist.
Koalitionen mit der PDS kommen für Sie nicht in Frage?
Jedenfalls würde ich davon nicht am Anfang reden, sondern ich würde es davon abhängig machen, was eigentlich in der Sache ansteht. Und dann kann ich mir eine ganze Reihe von faktischen Kooperationen vorstellen; das gibt es in der Kommunalpolitik ja auch schon. Wir müssen wegkommen von einer populistischen Desorientierung hin zu konkreten, durchsetzbaren Projekten.
Nun ist das Problem bei der PDS ja nicht ihr schöner Forderungskatalog, sondern ihre Vergangenheit.
Aber auch da gibt es keine pauschale Erledigung. Wir müssen genau wie nach 45 mit viel Energie diese totalitäre Erfahrung aufarbeiten.
Und das – so der Vorwurf – tut die PDS nicht ausreichend.
Ich kenne auch PDS-Leute, die das nicht einfach wegschieben. Ich kenne aber auch welche, die das wegagitieren. Es gibt da keine pauschale Verurteilung. Wir müssen Respekt vor den unterschiedlichen Biographien entwickeln.
Das heißt, der scharfe Dresdener Abgrenzungs-Beschluß Ihrer Partei muß geändert werden?
Das war unter Wahlkampfbedingungen geschrieben. Da brauchten sie in der heftigen Konkurrenz mit der PDS eine klare Abgrenzung. Das hätte ich wahrscheinlich genauso gemacht. Aber Wahlkampf muß auch mal vorbei sein. Jetzt müssen wir die Konsequenzen aus diesem Wahlergebnis ziehen. Und wenn man 20 Prozent der Wähler hinter sich hat, dann kann man nicht nur auf einzelne Funktionäre reduziert werden. Dann muß man sich mit den Menschen, die sie gewählt haben, auseinandersetzen. Da sind ja ganz viele Erstwähler dabei, offensichtlich also nicht Parteikader.
In Bremen hat die PDS ihr bundesweit bestes West-Ergebnis eingefahren. Haben Sie da auch Interesse an einer Auseinandersetzung? Kennen Sie jemanden von der Bremer PDS?
Ja, aber die ich kenne sind meistens die alten DKP-Leute, die sich hier eine neue politische Heimat organisieren. Auch da würde ich nicht sofort weglaufen, wenn die ein konkretes Problem diskutieren wollen. Na klar: reden und nicht verteufeln.
Aber richtig ernst nehmen Sie die PDS als politischen Faktor in Bremen nicht?
Ich habe doch erlebt, wie das mit der DKP über Jahrzehnte war. Ich habe sogar noch die alte KP erlebt. Ich habe das von meinen Eltern und meiner Kirchengemeinde gelernt: Wir sind ja aus der Nazizeit als Verfolgte, als Befreite rausgekommen. Und aus dieser Biographie her habe ich immer Respekt vor diesen Leuten gehabt. Ich habe mich an den antikommunistischen Ausfällen der 50er, 60er, 70er Jahre nicht beteiligt. Und das ist jetzt heute für mich eine Art Wiederholung.
Fragen: Dirk Asendorpf
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen