: Elbvertiefung völlig überflüssig?
■ Landesbank-Zweifel am Sinn immer größerer Containerschiffe
„Ich habe erhebliche Zweifel, ob sich das rechnet, ob die großen Schiffe auch wirklich ökonomisch umsetzbar sind.“ Christian Baldenius, Mitglied des Direktoriums der Hamburger Landesbank und dort zuständig für das Ressort Schiffskredite, glaubt nicht an die Zukunft jener gigantischen Containerschiffe mit bis zu 6000 TUE (=Containereinheitsmaß), welche als Begründung für die geplante Unterelbevertiefung herhalten.
Baldenius gestern bei der Präsentation einer Landesbankstudie zum „Schiffahrtsplatz Hamburg“: Zwar brächten die Containerriesen gegenüber den schon heute bis zu 4800 TEU fassenden Schiffstypen nochmals einen kleinen Gewinn pro Stellplatz – durch längere Liegezeiten würden diese Vorteile jedoch aufgezehrt.
Baldenius weiß, wovon er spricht: Als Chefschiffsfinanzier der Landesbank, die zu den größten Schiffskreditinstituten der Welt gehört, besitzt er intime Kenntnisse der Schiffskalkulation. Dabei bestimmen immer häufiger Geldgeber den Gang der Schiffsentwicklung: Viele Reeder beteiligen sich nur noch mit geringen Anteilen an den Schiffen, die stattdessen im Besitz von kapitalkräftigen Abschreibungsgesellschaften (Schiffsfonds GmbH & Co KGs) laufen.
Landesbankchef Werner Schulz konnte die brisanten Baldenius-Thesen nicht so im Raum stehen lassen und hielt mit einem gewagten Vergleich dagegen: „Beim Auto glauben wir nicht an den Unfall und haben trotzdem Airbag und Sicherheitsgurt.“ Falls die großen Schiffe nun doch kämen, so sein Unfallvergleich, müßte Hamburg die Elbe längst wirtschaftsgurtmäßig ausgebaggert haben.
Helmuth Deecke, Wissenschaftler und Seefahrtsexperte der Bündnisgrünen, kommt dagegen zu einer ganz anderen Erkenntnis: Die – voraussichtlich wenigen – künftigen Großschiffe auf den Weltmeeren glänzen, wie die ersten Schiffsbestellungen von 5900-Container-Schiffen zeigen, nicht durch größeren Tiefgang, sondern durch enorme Breite (46 Meter) und abnorme Länge (bis 350 Meter). Die Elbe erlaubt aber lediglich Wendekreise von gerade mal 350 Metern – zu wenig für ein 350-Meter-Schiff. Und: Für das Be- und Entladen 46 Meter breiter Schiffe müßten Kais und Containerbrücken dermaßen verstärkt und ausgebaut werden, daß Hamburg dies wohl niemals bezahlen könne.
Außerdem: Die EU hat kürzlich Vorschläge unterbreitet, nach denen zukünftige Infrastrukturinvestitionen für den Seeverkehr kostendeckend sein müßten. Im Klartext: Große Schiffe müßten Ausbaggerkosten anteilig bezahlen. Da sich dies betriebswirtschaftlich für die Schiffe nie rechnen könnte, würden auch die unsinnigen Investitionen unterbleiben. F. Marten
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen