: Fantasie & Frechheit
■ 25 Jahre Festival Neue Musik in Delmenhorst: Ein Gespräch mit dem Komponisten Hans Joachim Hespos
25 Jahre Neue Musik in Delmenhorst, der 11.11. weit und breit als fester Begriff: ein stolzes Ergebnis für Initiator Hans Joachim Hespos. Erstens, er macht etwas bewußt in der Provinz mit einem ganz kleinen Etat; zweitens, er engagiert nicht die bekanntesten, aber qualitativ allererste Ensembles und drittens stellt er immer sehr junge Komponisten vor. Im Gespräch mit der taz erklärte er, wie man solche Ansprüche auf Dauer tatsächlich halten kann.
Die wenigsten Menschen sind der Meinung, daß Neue Musik etwas mit ihrem Leben zu tun hat. Welche Zeichen setzen Sie? Einmal als Komponist, einmal als Veranstalter?
Hespos:Also ohne mich an John Cage anlehnen zu wollen: den Begriff Neue Musik laß' ich weg. Hier heißt es: der 11.11. Die meisten kennen gar nichts, was hier geboten wird. Ich sorge für Spannung und es wird immer lustiger.
Ist denn Ihr Glaube daran, daß neueste Musik gut ankommt, wenn sie gut ist, ungebrochen? Hat sich etwas geändert in den 25 Jahren? Immerhin fand das erste Konzert 1969 in einer angespannten Hochphase politischen Bewußtseins statt.
Das damilige Ensemble stand fanalisch für die damalige politische Haltung. Und in dieser Rigorosität, die ich nie aufgeben will, sind viele Stücke im Lauf der Jahre aufgetaucht. Das in der Provinz ausbreuten, damit Herumwuchern...
Hat sich nicht das Publikum verändert?
Es ist ein anhaltendes Interesse da: Fast ist das Konzert ein Ritual. Sehr leise, sehr andächtig sind Kinder, zweites Schuljahr. Die sind imzwischen ein Indiz für die Qialität vorne.
Alle, die heute Kunst machen, sind auf Kompromisse angewiesen. Welche sind gegenüber der Kunst eine Todsünde und dürfen nicht gemacht werden?
Auf jeden Fall: Die Kunst darf nicht langweilig sein und sie darf nicht lügen.
Was würden Sie denn jungen Leuten raten, in den Betrieb hineinzumüssen und trotzdem unabhängig zu bleiben?
Man muß die Fantasie, das Bewußtsein, den Mut und die Frechheit behalten: überall, wo die jungen Leute Erfolg haben, müssen sie sofort abhauen!
Dieses Jahr ist ein Ausstellung des Malers Max Hermann dabei. Sie haben ja häufig Maler – ohne h – als Ihre eigentlichen Lehrer bezeichnet. Spielt der 1908 geborene Max Herrmann eine solche Rolle?
Er hat in meinem Leben eine entscheidende Rolle gespielt. Ich habe ihn 1959 kennengelernt, er war an der PH Oldenburg mein Klavierlehrer. Er, als Schüler von Max Beckmann und Otto Dix war Korrepetitor am Oldenburger Theater. Er wurde meine künstlerische Vaterfigur, er war meine Musikhochschule, über ihn habe ich eigentlich alles gelernt und vertieft. Für den 11.11. war es so, daß zu der Ausstellung meiner Partituren ein Maler meiner Wahl gezeigt werden sollte.
Was kann der Komponist vom Maler lernen?
Man kann immer am besten lernen, wenn man weg von seinen immanenten Fachproblemen geht, sich auf eine andere Sache konzentriert. Ich gebe als Kompositionshilfe eine Linie von Cezanne – beispielweise – sie hat eine Struktur, und die sollte der junge Komponist doch mal in eine musikalische Form denken.
Wie wichtig sind Ihnen Publikumsreaktionen, auch Reaktionen, die nicht nur positiv sind?
Früher war mir das so gespielt egal, und inzwischen sagt es mir wirklich nichts mehr: es ist höchstens der Ausgangspunkt zu theatralischen Überlegungen – wolhgemerkt als Komponist. Als Veranstalter muß ich mir schon überlegen, was ich falsch gemacht habe und das tue ich auch.
Wenn Sie ab den zeitgenössischen Kulturbetrieb, Musikbetrieb, Kompositionsbetrieb denken – was finden Sie da akzeptabel, was nicht?
Nichts ist mehr akzeptabel. Es ist alles so grauenhaft, alle sind so tot ...und neue Dinge werden immer und immer wieder verpaßt.
Fragen: Ute Schalz-Laurenze
Heute abend, 20 Uhr, im Kleinen Haus Delmenhorst
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