Marx und Engels weichen den Junkern

■ Das Areal vor dem Palast der Republik heißt erstmals Schloßplatz

Die Berliner Stadtpläne werden vom Zeitgeist eingeholt. Nach dem ersten und einzigen DDR-Präsidenten Wilhelm Pieck hat es auch die Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus erwischt: Die Anschrift „Marx-Engels-Platz“ am ehemaligen Palast der Republik ist seit dieser Woche getilgt. Gegen den Widerstand des Bezirks Mitte weihte am Dienstag Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) den neuen „Schloßplatz“ ein. Eine Bezeichnung, die von seiner Verwaltung mehr als großzügig ausgelegt wurde und für die Mittes Bürgermeister Gerhard Keil (SPD) die zutreffende Bezeichnung „unhistorisch“ fand.

Schließlich hieß nur die Südseite des 1951 auf Geheiß von SED- Chef Walter Ulbricht gesprengten Gebäudes „Schloßplatz“. Wo jetzt das neue Straßenschild den verwirrten Berlinern und Touristen den Weg weisen soll, prangte nämlich stets der Name „Schloßfreiheit“. Für den Schilderstürmer Haase ist das jedoch kein Problem: Über der Stelle früherer Massenaufmärsche zu DDR-Zeiten wehe nun der „Geist von Freiheit und Demokratie“. Beim eigenmächtigen Umbenennungsakt konnte der Verkehrssenator auf geltendes Recht zurückgreifen: Der seit 1993 gültige Hauptstadtvertrag erlaubt dem Senat, Entscheidungen im künftigen Regierungsviertel der Stadt auch gegen das Votum der Bezirke durchzusetzen.

Im Frühjahr hatte eine aus Historikern und ehemaligen Politikern bestehende unabhängige Kommission dem Senat eine umfangreiche, aber zugleich sehr differenzierte Liste von Straßennamen und Plätzen vorgelegt, die ganz oder nur teilweise umbenannt werden sollen. Darunter fand sich sowohl die jetzt vorgenommene Änderung am Palast der Republik als auch die vor einigen Monaten von der Bezirksverordnetenversammlung in Mitte vollzogene Umbenennung der Wilhelm- Pieck- in Torstraße.

Umstritten ist nach wie vor die Clara-Zetkin-Straße in der Nähe des Reichstages. Sie soll nach dem Votum der Kommission den Namen der Kurfürstin von Brandenburg, Dorothea, tragen. Für Clara Zetkin, die zunächst in der SPD und später in der KPD für die Frauenrechte kämpfte, zeichnet sich aber derweil ein Kompromiß ab.

Nach Angaben von Haases Sprecher Tomas Spahn könnte der westliche Teil am Reichstag nach Dorothea umbenannt, der Abschnitt hinter der Humboldt-Universität jedoch unangetastet bleiben. Spahns Angaben zufolge plant die Verkehrsverwaltung derzeit keine Umbenennungen. Weitere Schritte in diese Richtung mache die Verkehrsverwaltung von Gesprächen zwischen Senat und Bund abhängig, der als unmittelbarer Anlieger durch frühere DDR- Straßennamen betroffen sei. Severin Weiland