: Lachgasnarkose, volle Dröhnung
■ 27 neueste „Microdramen“ des Abenteurerduos „Butzbacher & Brommelmeier“ Hypnotisch, schwindelerregend komisch
Hinfahren, verweilen, zurückfahren – kaum eine Konstellation eignet sich mehr für eine Trilogie als diese. Das dachte sich auch Autor, Schauspieler und Liedermacher Hans König und schickte nun sein Alter Ego Brommelmeier und dessen treuen Gefährten Butzbacher von der Insel Korsika, wo sie sich in zwei vorangegangenen Stücken als Straßenmusikanten eingenistet hatten, zurück in die kölsche Heimat. Die daraus resultierenden 27 Microdramen präsentierten König, Brommelmeier-Darsteller Martin Pollkläsener und das Erzähler-Duo Jaeggi/Pundt am Mittwoch im Lagerhaus einein begeisterten Premierenpublikum.
So tasten sich die beiden Helden, auf der Suche nach der alten Heimat also durch die dunklen Bäuche unheimlicher Fährschiffe, müssen Volksweisen schmetternde Schweizer Lastwagenfahrer bei Laune halten und einander anödende Ehepaare ertragen. In Köln angekommen, stellt sich keineswegs „Zuhause ist es doch am schönsten“-Harmonie ein. Jona ist nicht da, Brommelmeier bekommt ohnehin Zweifel an der Aufrichtigkeit seiner Gefühle, und prompt trifft man natürlich genau die Leute, die man auf Korsika bereits als Touristen kennengelernt hatte. Großmütig lassen sie die beiden im Geräteschuppen, der selbstverständlich eine „Hobby-Hütte“ genannt wird, überwintern. Als Gegenleistung müssen sie nur den gefrorenen Garten umgraben, sich dämliche Witze beim Abendessen anhören und die Inneneinrichtung der Gastgeber mental verarbeiten. Butzbacher: „Unter einer Lachgasnarkose beim Zahnarzt kann man solche Muster träumen.“ Da ist nachvollziehbarerweise bald Schluß mit „Heimweh“ – so der Titel des neuen Programms – und man begibt sich zurück ins korsische Exil, wo man in aller Ruhe Schweine zählen und deutsche Touristen beschallen kann. Mehr Deutschland braucht man nicht.
Wiedermal haben König und Pollkläsener ihre schwächeren Nummern an den Anfang gestellt, was kurzzeitig bangen läßt, aber dann laufen sie zu Höchstform auf. Streitereien über völlig unwichtige Kleinigkeiten, wie sie wohl jeder aus eigenen Freundschaften kennt, erfahren schwindelerregende philosophische Höhen, in die man sich ja tatsächlich oft hineinsteigert, wenn keine Partei nachgeben möchte. Die Pointen sind dabei stets abrupte Abbrüche durch gänzlich unpassende Allerweltsphrasen, was jedesmal funktioniert. Auch die Erzähler und nebendarsteller fügen sich diesmal hervorragend ins Bild ein. Besonders Janine Jaeggi als nerviger Trucker oder zwangsfröhlich kieksende Hausfrau kann durchaus neben den Hauptkräften bestehen. Selbst so vermeintlich abgedroschene Motive wie das Einkaufswagen-Chaos im Supermarkt oder die hypnotische Wirkung von Waschmaschinen biezen Pundt und Jaeggi als brillanten Slapstick. Andreas Neuenkirchen
Weitere Aufführungen bis 27.11., Lagerhaus Schildstr. 12
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