piwik no script img

Gegen soziale Kälte und Armut

■ Kirchen in Deutschland fordern Solidarität

Berlin (taz) – Die beiden großen Kirchen in Deutschland haben in einem Diskussionspapier soziale Kälte, Armut, Arbeits- und Wohnungslosigkeit, Fremdenfeindlichkeit und die Umweltbelastung angeprangert und zu mehr Solidarität aufgerufen. In dem gestern veröffentlichten Entwurf mit dem Titel „Zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland“ stellen die evangelische und die katholische Kirche fest, daß nach Jahren des Fortschritts „strukturelle Fehlentwicklungen“ unübersehbar seien und eine „Reform des Sozialstaates“ unumgänglich sei.

Besonders besorgniserregend sei die Arbeitslosigkeit. Zwar bestehe trotz aller Probleme kein Grund für „Verzagtheit und Zukunftsangst“, doch müßten Politik, Wirtschaft, gesellschaftliche Gruppen und jeder einzelne nach Lösungen suchen. Mit der zunehmenden Verarmung dürfe man sich nicht abfinden. Vor allem die Schwächeren der Gesellschaft – das Papier nennt ausdrücklich Alleinerziehende und Frauen – seien dem Wettbewerbsdruck ausgesetzt. Auch seien Perspektivlosigkeit und die Angst vor dem sozialen Abstieg der „Nährboden für Gewaltbereitschaft, Radikalismus und Fremdenfeindlichkeit“. Mit ihrem Diskussionspapier wollen die Kirchen, wie gestern Bischof Josef Homeyer und der Vizepräsident des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Hermann Barth, betonten, einen „Umbau“ der sozialen Sicherung anmahnen. Teile des Entwurfs erschienen kurz vor der Bundestagswahl und sorgten für erhebliche Aufregung. Die jetzige Fassung ist von beiden Kirchen abgesegnet und wird im kommenden Jahr Grundlage eines – bisher in Deutschland noch nie von den Kirchen praktizierten – „Konsultationsprozesses“ sein. Auf der Basis der bis Ende 1995 einlaufenden Stellungnahmen von Gemeinden, gesellschaftlichen Verbänden und Experten werden dann der Rat der EKD und die Deutsche Bischofskonferenz ein „Wort“ zu Gesellschaft, Wirtschaft und Politik veröffentlichen.

Anita Kugler Seite 10

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen