„Ich weiß nicht, wie es weitergeht“

■ Was Sie schon immer über Hamburgs Politik wissen wollten, aber nie zu fragen wagten n Von Uli Exner

Erlebt man ja nicht alle Tage: eine aufschlußreiche Diskussion unter Politikern. Gibt's aber doch gelegentlich. Am Dienstagabend in der Patriotischen Gesellschaft beispielsweise. Angetreten, eine Bilanz zu ziehen nach einem Jahr rotgrauer Koalition in Hamburg, lieferten die Herren Elste (SPD), Wegner (Statt), Salchow (CDU) sowie GALierin Krista Sager Bemerkenswertes ab. Mehr oder minder freiwillig beantworteten sie allerlei (so nicht gestellte) Fragen zum Zustand der örtlichen Polit-Szene. Zum Beispiel:

Hat die Statt Partei Einfluß auf die Regierungsarbeit?

Nein. Behauptet nicht nur die Opposition, sondern auch SPD-Fraktionschef Günter Elste, der diese Ansicht allerdings zwischen den Zeilen versteckt. Gefragt nach den Leistungen des Senats im vergangenen Jahr, listet er die sogenannten Voscherau-Essentials nahezu lückenlos auf – Großprojekte fortgeführt, neue Wohnungen gebaut, Armutsbekämpfung angegangen, Verwaltungsreform auch, Haushaltskonsolidierung oja – beachtlich, beachtlich. Die Statt Partei? Naja, sagt Elste deutlich, man dürfe eben Menschen, die gerade erst angefangen haben, sich in der Politik zurechtzufinden, nicht allzu hart kritisieren.

Wann gibt's den nächsten Krach in der SPD?

Markus Wegner wittert „Klassenkampf“, Günter Elste betont knarrend, daß es sich ja nur um einen „Entwurf“ handelt. Das neue – rotgrün angehauchte – Schulgesetz, daß die zuständige Senatorin Rosemarie Raab Anfang November vorgelegt hat, dürfte den Linksrechts-Konflikt in der Hamburger Sozialdemokratie einmal mehr eskalieren lassen. Und – so sieht es Wegner wohl nicht zu Unrecht – auch Antwort auf diese Frage geben:

Wer hat in dieser Stadt eigentlich die Mehrheit?

Rechte Sozialdemokraten, Bürgermeister, CDU und Statt Partei. Vereint wird diese ideelle bürgerliche Koalition linken Sozis, Schulsenatorin und GAL schon zeigen, wo der Rohrstock steht.

Aber möchte die CDU nicht viel lieber mit der GAL ...?

Nein. Nein. Nein. Sagt Krista Sager, die in den Annäherungsversuchen der Union den puren Stimmenfang sieht. Als Kronzeugen kann sie seit Dienstag die Herren Wegner und Elste aufbieten, die keine Gelegenheit auslassen, um die Nähe der CDU zur rotgrauen Koalition zu dokumentieren. Hafenerweiterung, Elbtunnel, Verkauf öffentlicher Unternehmen – „die CDU“, merkt Wegner unter zustimmendem Nicken Elstes an, „trägt die Voscherau-Essentials doch voll mit.“

Hat sich bei der CDU denn überhaupt irgend etwas verändert?

Ja. Zumindest das Auftreten des Führungspersonals. Den Beweis, daß der GAL-verliebte Fraktionschef Ole von Beust nicht ganz allein auf grüner Flur steht, liefert sein Vize, Roland Salchow. Gewandt und schlagfertig verzichtet er in der Diskussion auf die unionsüblichen Ausflüge in die böse Hafenstraße. Auch sonst wartet man vergeblich auf law-and-order-Sprüche. Statt dessen: „Da hat Frau Sager recht.“

Hat der Senat die Finanzprobleme der Stadt auch nur annähernd im Griff?

Nein. Daß die GAL und CDU pflichtgemäß dieser Meinung sind, war schon bekannt. Befreit vom Zwangsoptimismus des Fraktionsvorsitzenden einer Regierungspartei gibt nun auch Markus Wegner rotgraue Konzeptionslosigkeit zu: „Ich weiß nicht, wie das weitergehen soll.“

Wer interessiert sich in dieser Stadt überhaupt noch für Politik?

Wenige. Die vier Fraktionschefs lockten trotz schlagzeilenträchtigem Wegner-Sturz gerade mal 100 Menschen an. Ein paar Journalisten, ein paar Abgeordnete, vor allem aber Statt-Mitglieder, die sich den vorläufig letzten großen Auftritt ihres Parteigründers nicht entgehen lassen wollten.