„Sieht aus wie eine Ente, ist auch eine Ente“

■ US-Republikaner setzen Clinton in der Bosnienpolitik immer mehr unter Druck

New York (taz) – Einige kritische Nachfragen hatte Rußlands Botschafter Sergej Lawrow, als der UN-Sicherheitsrat am Dienstag in nichtöffentlicher Sitzung über die Lage in Bosnien diskutierte. Warum habe die Nato am Montag den kroatisch-serbischen Flugplatz in Ubdina bombardiert? Man hätte doch gar nicht wissen können, ob die Krajina-Serben den Flugplatz überhaupt noch einmal nutzen wollten, nachdem der Sicherheitsrat am Samstag Luftangriffe auf kroatisches Gebiet autorisiert hatte.

US-Botschafterin Madeleine Albright, amtierende Vorsitzende des Sicherheitsrates, reagierte äußerst schnippisch: „Was wie eine Ente aussieht, wie eine Ente läuft und wie eine Ente spricht, ist auch eine Ente.“ Mit diesem Spruch pflegte in den fünfziger Jahren der berüchtigte Senator Joseph McCarthy seine Beweisführung gegen angebliche Kommunisten zu besiegeln.

Albrights Antwort wird in Moskau kaum überzeugen. Ohnehin war sie eher als Signal an den Kongreß in Washington gedacht. Immer schärfer kritisieren die gewählten republikanischen Führungsleute die Bosnienpolitik der Regierung. Vom Luftangriff der Nato hatte sich die Clinton-Administration zumindest eine Atempause erhofft. Doch schon tags drauf legte der künftige republikanische Führer im Repräsentantenhaus, Newt Gingrich, nach: „Wir haben in Vietnam gelernt, daß gelegentliche taktische Luftangriffe äußerst uneffektiv sind“, erklärte der Heißsporn aus Georgia und forderte „massive Nato-Angriffe, um den Willen der Serben zu brechen“.

Sprecher von Pentagon und State Department verkündeten daraufhin, der Nato-Rat werde „Maßnahmen diskutieren, um weitere Angriffe auf Bihać“ sowie den Fall der nordwestbosnischen Muslim-Enklave in die Hände der serbischen Angreifer zu verhindern. Die Allianz sei „zu weiteren notwendigen Luftangriffen bereit“.

Doch diese starken Worte konnten nicht verhindern, daß wenig später der frischgebackene Nato-Generalsekretär Willy Claes bei seinem ersten Auftritt im US- Kongreß so kritische Töne zu hören bekam wie noch keiner seiner Vorgänger. „Das Warten der Nato auf die UNO ist sehr bürokratisch, sehr gefährlich und sehr wirkungslos“, erklärte Senator Dan Nickles. Der kommende republikanische Mehrheitsführer im Senat, Robert Dole, bemängelte, die Nato habe sich „von den Zauderern in der UNO abhängig gemacht“. Und der ehemalige Vorsitzende des außenpolitischen Senatsausschusses, Richard Lugar, forderte, „eine Abzugsstrategie für die Unprofor zu erarbeiten“. Zwar widersprachen Außenminister Warren Christopher und Pentagonchef William Perry den Forderungen nach einseitiger Aufhebung des Waffembargos oder massiven Luftwaffeneinsätzen der Nato. Für den Bosnien-Konflikt gebe es keine militärische Lösung. Doch in Washington verdichtet sich der Eindruck, daß die Bosnienpolitik immer stärker vom Kongreß bestimmt wird. „Wir üben in der Bosnien-Frage endlich ein wenig Druck auf unsere Verbündeten aus“, stellte Senator Dole zufrieden fest.

Außenminister Christopher mahnte noch zur Zurückhaltung: Nach einer Aufhebung des Waffenembargos durch die USA würden die Verbündeten ihre Unprofor-Soldaten zurückziehen. Dann werde die bosnische Regierung „überrannt“ und die USA gerieten unter Druck, den Schutz der bosnischen Muslime durch eigene Bodentruppen zu garantieren – und das ist bei Republikanern wie Demokraten so unpopulär wie militärische Ausrüstungs- und Ausbildungshilfen für die bosnische Regierungsarmee.

Die Strategie Christophers, die Republikaner bei ihren eigenen Widersprüchen zu packen, scheint dennoch wenig zu fruchten. Nach ihrem wesentlich über innenpolitische Konfrontationen errungenen Wahlsieg scheinen die Republikaner entschlossen, Bill Clinton auch in der Außenpolitik vor sich her zu treiben. Schon bezweifelt Jesse Helms, der zukünftige Vorsitzende des außenpolitischen Senatsausschusses, daß Clinton das volle Vertrauen der Streitkräfte genieße. Und Clinton zeigt Nerven.

Der Präsident befindet sich in einem Dilemma. Ignoriert er die Kritik der Republikaner, werden diese ihn weiter öffentlich demontieren. Kommt er ihren Forderungen nach einer veränderten Bosnienpolitik jedoch entgegen, geraten die USA unweigerlich in verschärfte Konflikte mit Rußland und mit wichtigen Nato-Verbündeten. Andreas Zumach