Als die Intendanten noch flogen

■ Ist das Drei-Sparten-Theater noch zu retten? Eine Diskussion bzw. Plauderei unter Fachmännern aus chronischem Anlaß/ „Die Oper kriegt man nicht mal mit Kanonen weg“

Gegen Ende der einjährigen Intendanz von Hans Günther Heyme hat es einen Monat im Bremer Theater gegeben, in dem es nur sieben Aufführungen gab, davon zwei als Gastspiele des Niederdeutschen Theaters: das Extrem eines Normalzustandes, das sichtbare Zeichen nicht einer Krise, sondern eines Endes, das schon mit der Verpflichtung von Tobias Richter (1985-1992) eingeleitet wurde. Große Zeiten des Bremer Theaters gab es nur noch in der Erinnerung: Kurt Hübner, Peter Stolzenberg, dann auch noch Arno Wüstenhöfer mit dem Schauspieldirektor Frank-Patrick Steckel.

Nun soll und will Klaus Pierwoß mit einer Etatreduzierung von zwei Millionen Mark (jetzt 40,6 Millionen, mit denen alle drei Sparten fünf Jahre hindruch auskommen sollen) den Karren aus dem Schlamm ziehen, der mit der Produktion von elf Premieren in zwei Monaten und einem an vier Spielorten vollen Spielplan einen für alle Teile unglaublichen Leistungsnachweis gebracht hat.

Pierwoß, sein Kollege Norbert Kentrup von der Bremer Shakespeare Company und Frank Patrick Steckel, hinlänglich bekannt durch das „verbittertste Theater Deutschlands“ in Bochum, saßen nun in den Weserterrassen, um mit der wegen der Arbeit des Bremer Theaters hoffnungsvollen Kultursenatorin Helga Trüpel über die Möglichkeiten und Unmöglichkeiten des Theatermachens heute zu plaudern. Anders kann man es kaum nennen, denn erstens war das Thema keins: „Auslaufmodell Dreispartentheater?“ hieß die dritte Veranstaltung der Reihe „Kultur Special“. Die Entscheidung für oder gegen ein Dreispartentheater – was meint, daß in einem Haus Oper, Sprech- und Tanztheater produziert werden – ist zunächst einmal politische Setzung; darüber läßt sich kaum am grünen Tisch reden. Reden könnte man allerdings über die Praxis der Leitung und Organisation eines solch komplexen und empfindlichen Hochleistungsbetriebes, wie er ja nun auch in Bremen erhalten und angestrebt werden soll. Statt dessen, denn zweitens gab es keine Gesprächsleitung, redeten sich die drei „gewichtigen Herren“ (Helga Trüpel) Lust und Frust von der Seele und das hatte was: zum Beispiel bei Steckel, der eigentlich nicht wußte, warum man ihn eingeladen hatte. Aus seinem Opernhaß machte er jedenfalls keinen Hehl, „die kriegt man ja nicht mal mit Kanonen weg“. Durch die Finanzkrise schleudere sie „zwangsläufig in die Provinzialität“.

Das Sprechtheater sei da „viel elastischer“. Dessen Zwänge deckten sich mit denen der anderen. Wobei es sich hauptsächlich um das Gespenst der Tarifverträge handelt, das die Arbeit an den Stadt- und Staatstheatern unmöglich macht. Gleichzeitig sind bestimmte Dinge „eben doch nur innerhalb dieses Betriebes zu machen“. Steckel plädiert also für eine Entflechtung der Sparten.

Nobert Kentrup holte in gewohnter Art groß aus („Das war in Frankfurt eine fröhliche und anarchische Zeit, als wir den Intendanten rausgeschmissen haben“) und präsentierte nun die großen Fragezeichen all seiner Erfahrungen: „Das Theater ist zutiefst autoritär, wie dieser Widerspruch aufgelöst werden soll, weiß ich nicht; Demokratie ist im Theater nicht durchführbar“. Und nicht ganz nebenbei leiden sie natürlich alle unter der destruktiven Theaterkritik, „die nur noch die Kirschen von der Torte frißt“ (Steckel).

Trotzdem: Den Mut, an der Veränderung der inneren Strukturen zu arbeiten, haben alle, auf der Basis des Istzustandes. „Wenn die Strukturreform nicht passiert, kommt es immer mehr zum Absterben und das werden die Politiker nutzen“ (Pierwoß). Und natürlich müsse unterschieden werden, daß Politiker unter Reform „billiger“ verstehen und die Theaterleute „bessere Arbeitsbedingungen“. Er möchte „weniger Regelung, mehr Eigenverantwortung“, wieder so etwas wie „eine Truppe“ organisieren, MitarbeiterInnen auf „die Grundpunkte zurückführen“. Daß man damit eine „neue Bewegung in erstarrte Positionen bringen kann“, da ist er optimistisch.

Ja, das wars dann auch; daß die Oper „mit ihren ewigen Werten“ (Steckel) nicht reformierbar ist, davon sind sowohl Kentrup als auch Staeckel überzeugt. Doch auch da gibt es Modelle wie das Frankfurter Operntheater unter Michael Gielen zum Beispiel.

Helga Trüpel jedenfalls will ihre ganze Kraft dafür einsetzen, daß das Theater nicht „an der Ausdifferenzierung der Tarifverträge“ kaputt geht: Klaus Pierwoß sitzt in der vierköpfigen Arbeitsgruppe, die die Vereinheitlichung der Tarifverträge (zur Zeit sieben verschiedene) in einen neuen Mustervertrag auf der 42. Dramaturgietagung in Chemnitz vorgeschlagen hat; einige Theater wollen das Modell jetzt tatsächlich ausprobieren.

Ute Schalz-Laurenze