Selbstbedienung bei der Stadthalle

■ Die zwei Wahrheiten der Schecks „Gutz an Gutz“: taz dokumentiert Original und Fälschung

Wenn eine arbeitsteilige Firma einen Scheck fertig macht, dann muß ein Mitarbeiter unterschreiben und ein anderer muß „sachlich richtig“ zeichnen, das heißt: die Verantwortung mit übernehmen. Das ist, zur gegenseitigen Kontrolle, eine Grundregel ordentlicher Betriebsführung. Daß der Begünstigte eines Schecks selbst „sachlich richtig“ quittieren darf, ist deshalb eine vollkommen groteske Idee. Das wäre ja beinahe Selbstbedienung.

Nicht bei der Stadthalle Bremerhaven. Da engagiert Stadthallen-Mitarbeiter Hans-Herbert Gutz die „Kulturinitiative“, also seine eigene Firma, als Agentur und wenn es an Schecks und Auszahlunge-Belege geht, dann ist der Empfänger „Kulturinitiative/Gutz“ und bei „sachlich richtig“ steht das „G“, in dem Stadthallen-Bedienstete unschwer als Kürzel von „Gutz“ erkennen und ausgestellt ist der Auszahlungs-Beleg auch in der Handschrift Gutz'.

Allein in den ersten 5 Monaten des Jahres 1994 gingen aus der Kasse der Stadthalle Bremerhaven fast 30.000 Mark „von G. an G.“ Die Sache führte Stadthallen-intern zu Unruhe, Geschäftsführer Krams, der die Schecks unterschrieben ohne Probleme hatte, war genötigt, die lockere Praxis zu beenden, aber er sah kein besonderes Problem darin. Mitarbeiter kopierten sich vorsichtshalber die Zahlungsanweisungen des Vorganges „G. an G.“ Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat berichteten ratlos dem Aufsichtsrat: „Nachdem die Problematik erkannt wurde, existieren nun etliche Auszahlungebelege, deren sachliche Richtigkeit niemand mehr gegengezeichnet hat.“ Denn außer Gutz wollte damals offenbar niemand mehr für die Zahlungen an Gutz die Verantwortung übernehmen. Summe der Auszahlungs-Belege ohne Gegenzeichnung: insgesamt ca. 60.000 Mark.

Arbeitnehmer-Vertreter hatten im Juli streng vertraulich den Hintergrund des Problems so beschrieben: Die Künstlervermittlungen für die Stadthallen laufen über die Kulturinitiative von Gutz als Agentur. Gutz scheint also doppelt bezahlt zu werden: Als Angestellter bezieht er seinen Lohn, als Agentur zudem Provision. Kontrollieren kann seine Agentur-Provisionen niemand. Die Stadthalle weiß nur, was sie an Gutz überweist - sie kann nicht kontrollieren, was die Kulturinitiative an Gagen weitergibt. „Für diese Tätigkeit nutze ich mein Büro in Elmlohe“, behauptete Gutz zwar im Juli, als die Vorwürfe hochkamen. Doch tagsüber ist sein bezahlter Arbeitsplatz selbstverständlich in der Stadthalle und wer bei der Stadthalle anruft und nach „Kulturinitiative“ fragt, wird genauso selbstverständlich und umstandslos zu Gutz durchgestellt.

„Als Unternehmer will er sinnvollerweise möglichst hohe Gewinne erzielen...“, denken die Arbeitnehmervertreter. Für die Stadthalle sind die Geschäfte undurchschaubar. Da der Stadthallen-Geschäftsführer auch solche Schecks unterschrieben und angewiesen hat, für deren sachliche Richtigkeit niemand gezeichnet hatte, „zweifeln wir an den kaufmännischen Fähigkeiten der Verantwortlichen“, schrieben die Arbeitnehmervertreter dem Aufsichtsrat.

Nachdem das vertrauliche Papier der Arbeitnehmer öffentlich geworden war (taz 6.7.94), muß jemand befürchtet haben, daß eine Kontrolle der Auszahlungs-Belege stattfindet. Denn wer heute die Belege ansehen würde, von denen vor Monaten Kopien gemacht wurden, der würde feststellen: Nachträglich wurde neben dem Kürzel „G.“ bei „sachlich richtig“ die Unterschrift „Salzmann“ eingefügt. Salzmann ist der Prokurist, von dem die Arbeitnehmer dem Aufsichtsrat mitgeteilt hatten: „Herr Krams deckt seit längerem die Alkoholprobleme des Stadthallenprokuristen Salzmann...“, der Zustand sei untragbar geworden.

Tatsächlich wurden die Treuarbeit-Wirtschaftsprüfer mit der Kontrolle der Vorwürfe betraut (vgl. taz 25.11.). Die Auszahlungsbelege waren längst korrigiert, als düe Prüfer kamen - sie hätte also nichts feststellen können. Offenbar im Vertrauen darauf hatte Gutz schriftlich behauptet: „Die genannten nicht gegengezeichneten Auszahlungsbelege existieren nicht...“ Was er nicht gewußt zu haben scheint: daß Stadthallen-Mitarbeiter vorher Kopien der Auszahlungsbelege angefertigt haben. (s. Faksimile)

Nachräglicher Witz an der Geschichte: Der Stadtkämmerer Brandt ließ die Wirtschaftsprüfer der Treuarbeit nur Vorwürfe gegen den Geschäftsführer Krams prüfen, nicht aber die Überweisungen „G. an G.“ Die Auszahlungsbelege wurden sozusagen umsonst nachgebessert. Die Wirtschaftsprüfer befaßten sich nur mit der Praxis der Auftragsvergabe an Gutz ohne Konkurrenzangebote über lange Jahre und merkten an, daß dies mit „wirtschaftlichen Gründen“ nichts zu tun haben könne.

Stadtkämmerer Brandt zur taz auf die Frage, warum er die Vorwürfe „G. an G.“ nicht habe prüfen lassen: „Ich habe das prüfen lassen, was prüfbar war.“ K.W.