piwik no script img

HiTech-Kitsch und kluge Arbeit

■ Fließende Grenzen: Interaktive „Computer-Bild-Musik“

Zwei Schlagzeuger improvisieren live, ein dritter Musiker sitzt an der Stanford-Universität in Californien und mischt mit: über Internet nimmt er Zugriff auf den Computer, der als vierter Partner im Schlagwerk-Quartett Töne erzeugt: so spielerisch verwendete am Samstag abend in der Opera stabile der junge Komponist Rolf Wöhrmann die Technik im Rahmen des Festivals Fließende Grenzen. Doch je mehr Technik, je mehr Probleme: Die Telefonleitung in die USA kam wegen mangelnden Engagements der Telekomm nicht zustande, so daß die Improvisation Touched Tones vom Einfluß aus Übersee unberührt bleiben mußte.

Computer-Bild-Musik war das Thema des vom Music Media Lab Hamburg veranstalteten Abends. Kommerzielles Glanzlicht und zugleich peinlichster Tiefpunkt der sechs verschiedenen Stücke waren die Computeranimationen Endogenesis und Oscillation von Jules Bister aus Hamburg, die trotz oder vielleicht gerade wegen ihrer perfekten Trivialität zahlreiche internationale Preise gewonnen haben. Kugel im Bild – Blubb im Ohr, stürzende Bewegung wird erwartungsgemäß von absteigenden Triolen kommentiert, und neben der uninspirierten Musik stehen die supertechnischen Bilder, die sich aus Variationen aus Kubricks 2001 und den überbekannten Dali-weichen Traumformen zusammensetzen. In dieser außerirdischen Landschaft tobt sich eine verschmockte Video-clip-Ästhetik aus und erzeugt nichts als HiTech-Kitsch.

Im kleinen, meist schwarzgekleideten Kennerpublikum waren teils fachsimpelnde Datendandys, teils Musikwissenschaftler, die grantig murmelten, heutige Komponisten könnten nichts und machten nur deshalb Multimedia. Das grundsätzliche Problem derartiger Kunst-Ehen ist es, Bild und Ton auf gleicher Qualität zu halten: die bildenden Künstler setzen Musik gerne als netten Hintergrund ein, moderne E-Musiker sind eher an kalten Abstraktionen interessiert. Auch Manfred Stahnkes Feuerzeichen mit indischen und afrikanischen Musikern hatte nur den Charme einer versöhnlichen Weltmusik-Session mit Bildbeigabe.

Unbestrittener Höhepunkt des Abends war die Demonstration des komplexen Interaktionssystems The Untouchable Painting von einer Hamburg-Berliner Gruppe um den Künstler Arthur Schmidt und den Komponisten Kiyoshi Furukawa. Offensichtlich gewährleistet erst wirkliche Arbeitsteilung ein voll funktionsfähiges Instrumentarium: Die Tänzerin Sonja Maria Kantig erzeugte allein durch ihre Bewegung in Echtzeit ein vielschichtiges farbiges Bild, führte eine virtuelle dreidimensionale Form als Tanzpartner auf der Großprojektion und rief die Musik hervor. Das über Infrarotkameras sensibilisierte Interface-System ist nicht auf Konzerte beschränkt: wie die mehrtägig offene Installation im Altonaer Spritzenhaus letzte Woche gut demonstrierte, ist es auch ohne Vorkenntnisse mit Genuß nutzbar und öffnet so eine bild- und klangerzeugende kreative Zukunft für jeden.

Hajo Schiff

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen