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Referendum über Taiwans Atomkurs

■ Bau eines vierten AKWs soll verhindert werden / Demonstration gegen Energiepolitik der Regierung

Berlin (taz) – In Taiwan erlitten gestern in einer Volksabstimmung aller Wahrscheinlichkeit nach die Atomkraftgegner eine Niederlage. Zur Abstimmung stand die Abberufung von vier Parlamentariern der regierenden Kuomintang-Partei (KMT). Die Abgeordneten aus dem Landkreis Taipeh – dessen Magistrat strikt gegen Atomkraft ist – hatten im Parlament für den Bau des umstrittenen vierten AKW in Taiwan gestimmt.

Die gestrige Abstimmung ist der vorerst letzte Höhepunkt im langjährigen Streit um den Bau des AKW Lungmen. Bereits am Samstag hatten in der Hauptstadt Taipeh bei einer der größten Anti- AKW-Demos des Landes 15.000 Menschen gegen die Energiepolitik der Regierung demonstriert. Zuletzt hatte im Oktober der ehemalige Abgeordnete und Menschenrechtler Li Yi-Hsiung einen 1.000 Kilometer langen Anti- Atom-Marsch um die Insel angeführt, an dem sich 2.600 Menschen beteiligt hatten.

Die Planungen für den 6,4 Milliarden US-Dollar teuren Doppelreaktor, um dessen Bau sich auch ein Gemeinschaftsunternehmen der Siemens AG und der französischen Framatome bewirbt, waren in den letzten Jahren wiederholt ausgesetzt worden. Schon im Mai hatten sich 96 Prozent der Anwohner des geplanten AKWs in einem inoffiziellen Referendum gegen den Bau ausgesprochen. Damals wie im Vorfeld der gestrigen Abstimmung erklärte die Regierung, sie fühle sich an den Entscheid nicht gebunden. Die staatliche Betreiberfirma Taipower versuchte unterdessen, mit Geld den lokalen Behörden und Bewohnern das Projekt schmackhaft zu machen.

Das rohstoffarme Taiwan betreibt sechs Atomreaktoren in drei Kraftwerken, die 36 Prozent des elektrischen Stroms liefern. Die Regierung hält das neue AKW für unerläßlich, um das Wirtschaftswachstum fortzusetzen, und fühlt sich durch Stromrationierungen in ihrer Position bestätigt. Die AKW- Gegner verweisen dagegen unter anderem auf die ungeklärte Atommüll-Entsorgung: Die Zwischenlagerkapazitäten in den Kraftwerken und auf einer Insel sind bald erschöpft.

Der gestrige Volksentscheid im Landkreis Taipeh ist der erste in Taiwan. Das Referendum an sich gilt bereits als eine Ohrfeige für die seit 45 Jahren regierende KMT. Sie versuchte denn auch, den Entscheid mit allerlei Tricks zu verhindern. Als dies nicht möglich war, zog sie den Abstimmungstermin vor und setzte zugleich die erforderliche Mindestbeteiligung hoch, so daß einer Amtsenthebung wenig Chancen eingeräumt werden. Sven Hansen

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