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Seit gestern wird auf den Bahamas über die „Biodiversitäts- konvention“ verhandelt. Was abstrakt klingt, hat politische Sprengkraft: Der Artenschwund bei Nutzpflanzen erhöht das Risiko von Krankheiten. Die andere Frage: Wer profitiert von der Vielfalt in Genbanken und Natur? Von Annette Jensen

Reichtum durch Genreichtum

Zum Konferenzauftakt gab's Eigenlob: Kaum ein internationaler Kontrakt ist so schnell von so vielen Ländern ratifiziert worden wie die Biodiversitätskonvention, die den Erhalt der biologischen Vielfalt durch „nachhaltige Nutzung“ anstrebt. VertreterInnen von über 150 Nationen unterschrieben das Papier vor zwei Jahren bei der Umweltkonferenz in Rio. Mehr als 80 Parlamente haben es inzwischen abgesegnet. Seit gestern tagen nun auf den Bahamas einige hundert Delegierte, um dem Schriftstück Leben einzuhauchen.

Der Vertrag reagiert auf die Einsicht der achtziger Jahre, daß der weltweite Artenschwund zu einer Bedrohung für die Menschheit geworden ist. Die grüne Revolution der siebziger Jahre vernichtete Tausende von Reis- und Weizensorten und löste damit eine gefährliche Gen-Erosion aus (s.u.). Die rücksichtslose Nutzung einzelner Pflanzen- und Tierarten machte nicht nur diesen den Garaus, sondern verursachte auch das Ableben vieler von ihnen abhängender Organismen: Ganze Ökosysteme klappten zusammen. Kassandrarufe aber verhallten, bis mit der „nachhaltigen Nutzung“ eine Formel gefunden war, die Profit und Naturschutz verbindet.

Marktorientierung macht die Konvention attraktiv

Galten bisher die genetischen Ressourcen als „Erbe der Menschheit“, so werden sie durch die Biodiversitätskonvention zu nationalem Eigentum. Das muß zwar weiterhin jedem zugänglich gemacht werden – die Bedingungen dafür aber darf der Besitzer bestimmen. Auf diese Weise haben die Menschen in den artenreichen Gegenden vor allem Amazoniens, des Nahen Ostens und Asiens ein Interesse daran, die Vielfalt zu pflegen. „Die Marktorientierung macht die Konvention so attraktiv“, sagt Michael Flitner vom Bundeskongreß entwicklungspolitischer Gruppen (BUKO).

Streiten werden sich die Delegierten auf den Bahamas vor allem über zwei Punkte: Wem gehören die Samen in den internationalen Genbanken? Und soll es allgemeine Mindeststandards für gentechnische Forschung geben?

Bisher waren die international finanzierten Genbanken für alle kostenlos zugänglich. Hat eine Weizensorte Mehltau, finden ZüchterInnen hier häufig Saatgut, das Widerstandskräfte enthält. Sie kreuzen das Erbgut ein, lassen es patentieren – und verdienen sehr gut damit. Die Länder, aus denen das genetische Material stammt, gehen hingegen leer aus. Das soll die Biodiversitätskonvention zwar grundsätzlich ändern – aber bei den bereits bestehenden internationalen Genbanken haben die Erstweltländer zunächst Ausnahmeregeln durchgesetzt.

Zum zweiten geht es auf den Bahamas um weltweite „biologische Sicherheit“ – Mindeststandards für Versuche mit genmanipulierten Organismen. Die G77, in der sich Entwicklungs- und Schwellenländer zusammengeschlossen haben, arbeitet hier bereits an einem Protokoll. Während Dänemark, Schweden und Spanien sie unterstützen, versucht EU-Präsident Deutschland eine Abstimmung zu verhindern.

Wer will die Kontrolle und wer nicht? Und warum?

Grund dafür ist Druck von Seiten der USA, die die Konvention noch nicht ratifiziert haben und denen die Hürde möglichst niedrig gelegt werden soll. Dabei sei nach dem Wahlausgang in den USA klar, daß die Konvention auch künftig ohne ihren Segen – und ohne ihr Geld – auskommen muß, berichtet Andreas Gettkant von der Stiftung Entwicklung und Frieden, der die Arbeit der Regierungsunabhängigen Organisationen für die Konferenz koordiniert.

Der Druck der Gentec-Industrie ist groß: Allein in Lateinamerika führte sie zwischen 1989 und 1992 mindestens 30 Versuche mit transgenen Pflanzen durch – ohne staatliche Kontrolle. Aber auch von Seiten der Entwicklungsländer besteht ein Interesse an Freisetzungsversuchen. „Erst kürzlich hat die Vertreterin eines afrikanischen Landes ein unsittliches Angebot gemacht:“, sagt Rudolf Caspar von der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft, „,Kommen Sie zu uns, hier können sie ohne Probleme jede Forschung machen.‘“ Caspar deutet den G-77-Antrag deshalb auch als einen Persilschein, mit dem Regierungen armer Länder internationale Konzerne anlocken wollen.

Die meiste Zeit auf der zweiwöchigen Konferenz werden allerdings organisatorische Fragen in Anspruch nehmen. Vor allem die Rolle der Weltbank bei der Entscheidung über Förderprojekte ist umstritten. Auch bei der Besetzung des wissenschaftlichen Beirats ist die G77 mißtrauisch, weil die führenden ForscherInnen aus Industrienationen kommen. Sie will das Gremium deshalb weiter öffnen. „Das ist dann zwar demokratisch, aber nur schwer arbeitsfähig“, so Gettkant.

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