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Das Tuch zum Stirnband falten

■ Frankreich: Eleganter Kompromiß soll Kopftuchkonflikt im Lyzeum Saint-Exupéry lösen

Paris (taz) – Mit einem Kompromiß soll das Gezerre am islamischen Kopftuch im Pariser Vorstadt-Lyzeum Saint-Exupéry beendet werden: Am Montag entschied der Disziplinarrat der Schule in Mantes-la-Jolie, daß Mädchen, die partout nicht auf eine Kopfbedeckung verzichten wollen, mit einem Stirnband zum Unterricht erscheinen und im Pausenhof ihr Kopftuch überziehen dürfen. Die betroffenen Schülerinnen scheinen mehrheitlich bereit zu sein, den Vorschlag zu akzeptieren – zehn legten ihr Tuch bereits ab, fünf denken noch darüber nach. Acht Mädchen, die den Kompromiß kategorisch ablehnen, wurden von der Schule verwiesen. Im September hatte das französische Erziehungsministerium das Tragen „ostentativer religiöser Zeichen“ an öffentlichen Schulen per Rundschreiben verboten. Mit der Formel gemeint waren islamische Kopftücher. In der laizistischen öffentlichen Schule, aus der seit 1905 Religionsunterricht und religiöse Symbole per Gesetz verbannt sind, stören sie nach Ansicht der Regierung den Unterricht. Das Rundschreiben, das den befürchteten Vormarsch militanter IslamistInnen stoppen sollte, sorgte sofort für zusätzliche Konflikte an den öffentlichen Schulen des Landes. Dutzende Mädchen weigerten sich, ihr Kopftuch abzulegen (vgl. taz vom 21. November). Sie organisierten Demonstrationen und Streiks und legten den Unterricht vielerorten lahm. Aus den Moscheen kam der Ruf nach islamischen Schulen, vergleichbar den katholischen und jüdischen Privatschulen. Insgesamt 60 Mädchen, die sich weigerten, ihr Kopftuch abzulegen, mußten die Schule verlassen – die meisten nehmen seither am Fernunterricht teil.

Erste Gerichtsverfahren gegen die Schulverweise haben bereits begonnen. Der Kompromiß vom Saint-Exupéry kam nach diskreten Vermittlungsversuchen islamischer Frauen zustande, die Gespräche mit den 23 kopftuchtragenden Mädchen führten, die seit Wochen in einem abgetrennten Raum unterrichtet wurden. Die Stirnbandlösung gilt zunächst nur für das Saint-Exupéry. Doch das Erziehungsministerium hofft auf einen Nachahmungseffekt. Schließlich registrierte es gestern noch 667 kopftuchtragende Schülerinnen im Land. Dorothea Hahn

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