: Der Glanz antiker Metropolen
■ Das Berliner Philharmonische Orchester eröffnete seinen spartenübergreifenden Antiken-Zyklus
Mit einer konzertanten Aufführung von Richard Strauß' Oper „Elektra“ eröffneten die Philharmoniker unter der Leitung ihres Chefdirigenten Claudio Abbado gestern abend den Antiken-Zyklus, ihr nach „Hölderlin“ und „Faust“ drittes spartenübergreifendes Projekt.
In den kommenden sechs Monaten werden nicht nur antikeninspirierte Musikveranstaltungen mit Kompositionen vom Barock bis zur Neuzeit zu hören sein: Parallel dazu sind Theateraufführungen wie Andrea Breths Inszenierung des „Orest“ von Euripides an der Schaubühne geplant, Peter Stein liest aus seiner Übersetzung der „Eumeniden“ des Aischylos und Christa Wolf präsentiert ihr neuestes literarisches Projekt „Medea“. Weitere themenbezogene Lesungen bestreiten Jutta Lampe, Libgart Schwarz, Walter Schmidinger, Roberto Calasso, Marianne Hoppe und Heiner Müller.
Die Staatlichen Museen organisieren Sonderführungen durch ihre antiken Sammlungen, und das Kino Arsenal zeigt zwischen Dezember 1994 und Juni 1995 etwa 30 Filme, die sich mit dem Thema Antike befassen, darunter Videoaufzeichnungen der legendären Schaubühnen-Inszenierungen „Die Orestie des Aischylos“ (Peter Stein) und „Die Bakchen des Euripides“ (K.M. Grüber).
Mit dieser geballten Kraftanstrengung versuchen die durch Vereinigungs- und Abwicklungswirren arg in Bedrängnis geratenen Berliner Kulturinstitutionen einen Neuanfang. Dabei soll die breite Mobilisierung des Potentials der Berliner Kulturlandschaft sicher nicht allein dazu dienen, in Zeiten, wo Kulturpolitik hauptsächlich mit dem Rotstift gemacht wird, die Existenzberechtigung der einzelnen Institutionen zu rechtfertigen. Vielmehr bedeutet das Projekt wohl auch den Versuch einer kulturellen Identitätsfindung. Daß dabei ausgerechnet auf die Kultur der Antike zurückgegriffen wird, kommt nicht von ungefähr. Im Spiegel der Antike haben die Deutschen durch die Jahrhunderte immer wieder versucht, sich selbst zu finden. Nicht nur die Preußenkönige hatten den Glanz antiker Metropolen im Sinn, als sie ihre Baumeister mit dem Ausbau der Provinzstadt Berlin zur Residenz beauftragten. Auch als um 1800 in Weimar das entstand, was bis heute weithin als „deutsche Nationalkultur“ gilt, hatte das antike Griechenland Modell gestanden. Und Heiner Müller schließlich fand in den antiken Mythen blutige Gleichnisse für die deutsche Geschichte dieses Jahrhunderts.
Hoffen wir also, daß die Bronzeskulptur „Betender Knabe“ aus dem 4. vorchristlichen Jahrhundert, Motto und Schutzengel des Projektes, den Veranstaltern Glück bringt. Esther Slevogt
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen