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Senat will Flughafen Tempelhof verkaufen

■ Mit Milliardenerlös soll Großflughafen finanziert werden / Gefahr für geplante Grünflächen und sozialen Wohnungsbau

Die Berlin Brandenburger Flughafen Holding (BBF) bestätigte gestern, was sie zuvor monatelang abstritt: Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) und einzelne Senatoren wollen die landeseigenen Grundstücke auf dem Flughafen Tempelhof nach seiner Schließung verkaufen. Mit dem Erlös aus dem Milliardengeschäft soll der Großflughafen mitfinanziert werden. Entsprechende „Überlegungen“ wurden gestern in Senatskreisen und einer Senatsverwaltung bestätigt.

Der Flughafen Tempelhof entspricht mit 400 Hektar knapp einem Zehntel der Fläche des Bezirks Tempelhof. Mit 45 Prozent gehört dem Land Berlin nicht ganz die Hälfte des Areals, 55 Prozent sind im Besitz des Bundes. In Senatskreisen wird das zentral gelegene Grundstück als wesentlich wertvoller betrachtet als die 118 Hektar große Ackerfläche nördlich vom Flughafen Schönefeld, für deren Erwerb die Holding vor drei Jahren durchschnittlich 320 Mark pro Quadratmeter hinblätterte. Bei einem Erlös von 500 Mark pro Quadratmeter würde Berlin in Tempelhof 900 Millionen Mark erwirtschaften.

Ein Verkauf würde allerdings die Stadtplanung ruinieren. Im Flächennutzungsplan (FNP) und im Landschaftsprogramm ist der Flughafen Tempelhof als „landschaftsplanerischer Entwicklungsschwerpunkt“ kategorisiert. Weil Neukölln und benachbarte Innenstadtbezirke mit Parkanlagen unterversorgt sind, sind auf rund der Hälfte des Geländes Frei- und Grünflächen geplant. Auf einem Drittel sollen Wohnungen gebaut und der Rest Gemeinbedarfsflächen wie Verwaltung und Sportanlagen vorbehalten werden. Nach einem Verkauf müßte das Land Berlin das Gelände also später zurückerwerben, um den von Senat und Parlament beschlossenen Flächennutzungsplan zu realisieren.

Klaus-Hubert Fugger, Sprecher von Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU), sah zumindest beim Verkauf von Flächen, die für Sozialwohnungen vorgesehen sind, kein Problem. Ein Verkauf an landeseigene Wohnungsbaugesellschaften sei nicht unüblich. Die Gesellschaften würden den Kaufpreis aus ihren Einnahmen finanzieren. Eine Idee, die für den Präsidenten des Landesrechnungshofs, Horst Gryscik, „höchst ungewöhnlich“ ist. Der Kaufpreis werde im sozialen Wohnungsbau schließlich auf die Kostenmiete angerechnet. So zahle der Steuerzahler – über einen Umweg – den Bau des Großflughafens. In Zusammenhang mit der Grundstücksspekulation des Flughafens Schönefeld, die der Holding bis 1997 ein Defizit von 900 Millionen Mark verschafft, hatte der Rechnungshof bei einem möglichen Verkauf von Grundstücken in Tegel und Tempelhof bereits auf die Ziele im Flächennutzungsplan hingewiesen. Offiziell behaupten Diepgen, Pieroth, Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) und Wirtschaftssenator Norber Meisner (SPD) bislang, daß der zehn Milliarden Mark teure Großflughafen privat finanziert werden soll. Dirk Wildt

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