: Wenn der Senator Steilshoop beehrt
Montag abend in einer zehnstöckigen Kleinstadt in Hamburg: Stadtentwicklungssenator Thomas Mirow weilt in Steilshoop. Die Menschen im gut gefüllten Saal der Bücherhalle wollen über ihre Mieten reden. Im Sommer erst mußten sie eine drastische Betriebskostenerhöhung wegstecken, weil die städtische Wohnungsbaukreditanstalt Subventionen strich. Nun droht die Einführung der Fehlbelegungsabgabe.
Von der Abgabe sind die „Besserverdienenden“ in den Steilshooper Sozialwohnungen seit 1990 verschont, um „eine „durchmischtere Sozialstruktur im Quartier zu fördern“, so Helga Rake von der Sanierungsgesellschaft „Plankontor“. Diese Ausnahmeregelung soll jedoch 1995 aufgehoben werden.
Von den mehr als 20.000 SteilshooperInnen leben überdurchschnittlich viele „von Transfereinkommen“, wie Mirow Sozialhilfe und Arbeitslosengeld zu umschreiben beliebt. Doch nicht nur am Einkommen hapert es. Eine alleinerziehende Bewohnerin vermißt öffentliche Räume, die auch nach 22 Uhr geöffnet sind. Die Elternschule sei viel zu klein. Dringender Bedarf für den geplanten „Jungerwachsenentreff“ wird angemeldet. Lange überfällig sei auch die Wiedereröffnung des Bauspielplatzes, der seit einem Brandanschlag Anfang 1993 brach liegt. Der „Senat macht ständig nur Versprechungen“, so Anwohner Rainer Sauer.
Mirow verschränkt die Arme. In der Vergangenheit habe „Steilshoop erheblich mehr Mittel als vergleichbare Stadtteile bekommen“, sagt er. Damit sei nun erstmal Schluß. Die Wiedereröffnung des Spielplatzes stellt er für 1996 in Aussicht. Daß nach Steilshoop überhaupt so manche Mark floß – SPD-Ortschef Hans-Ronald Niehus spricht von 13 Millionen Mark seit 1985 –, hat vor allem einen Grund: Die weit verbreitete Selbstorganisation. Viele Menschen hier sind es gewohnt, für ihre Interessen einzustehen. Der als „SPD-Fuzzi“ moderat davongekommene Senator zollt Anerkennung: „Wenn ich an Ihrer Stelle wäre, würde ich es genauso machen.“
Zum brennendsten Problem, den Mieten, hat er den ganzen Abend nichts gesagt. Fritz Gleiß
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen