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Illustrierte Bremer Zeitschriften-Revue (1)

Gestern gefeiert, heute gefeuert: Die Stars der Fußballwelt, sei's der Effe, sei's der Stein, sie können ein langes Lied vom unbarmherzigen Wandel des Sportbetriebs singen. Da freut's den Fan, daß es doch noch verläßliche Größen gibt. Und da kommt nach Otto Rehagel auf Platz 2 gleich die „Werder Revue“. Nach jüngster Zählung ist die Monatsschrift mit dem Untertitel „aktuelles Vereinsmagazin“ bei der laufenden Nummer 203 angekommen; als Herausgeber firmiert Werder Bremen selbst. Saison um Saison hat das Heft dabei eine staunenswerte Form erlangt, ja: Inzwischen darf man es den Kollegen Sportjournaillisten als wahres Brevier in allen Formfragen anempfehlen. Die braven Floskeln der allwochendlichen Live-Reportagen („Die folgende Ecke brachte nichts ein“) bleiben dem Leser zwar nicht gänzlich erspart. Aber es geht auch anders. Gerade die lebhaften Berichte aus jenen Disziplinen, die ansonsten ein Schattendasein im Abseits der Fußballraserei führen, wirken hier nachgerade inspirierend. Allen voran der Schachsport: „Mit Werders Spitzendenkern betrat zum ersten Mal eine Mannschaft aus Bremen die Bühne, die als stärkste der Welt gilt“. Spitzendenker! Jawohl! Kein Kraftgekicke! Und das alles auf der offenbar stärksten Bühne der Welt! Weiter gehts: „Noch bevor an den Brettern der erste Punkt vergeben war, wurde das Ziel erreicht“ – ohne Umschweife wird hier offenbar direkt verwandelt und gepunktet. Da ist's ein Spitzengebretter und -gewetter, daß man die rauchenden Bremer Superhirne leibhaftig vor Augen sieht, zumal diese mit bildhaft schönen Namen wie Ingo Klarholz aufwarten können. Plastisch-deftig auch die Berichte aus der Welt der Balljungen; dort werden „die Bälle nur so aufs Tor gedonnert“. Zurückhaltend hingegen Willi Lemke, Gebieter über so ziemlich alles rings ums Weserstadion. Im diskreten Tonfall eines gesettelten Altgenossen verbreitet dieser in seiner Rubrik „Hier spricht der Manager“ hanseatischen Charme: „Fair Play“ und nochmals „Fair Play“ wird den Fans gepredigt, für den „völkerverbindenen Gedanken des Sports“ geworben – um am Ende dann wieder die Schlagkraft der Rehagel-Recken zu preisen. Selbst für schwarzen Humor hat die „Revue“ ein Herz. Schmunzelt der Rot-Kreuz-Einsatzleiter Herr Krebs: „Bänderdehnungen, Handverletzungen und Brandwunden gehören hier zum wochenendlichen Fußball-Vergnügen wie die ARD-Sportschau mit Heribert Faßbender.“ Umgekehrt liest es sich dann doch wohl so: Ein Abend mit Heribert ist so vergnüglich wie eine Bänderdehnung. Und das ist endlich mal die ganze Wahrheit über den vertrottelten Fernsehfußballjournaillismus. tom

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