: AG-Weser-Gelände wird endgültig abgerissen
■ „Neuanfang“ restlos gescheitert: 7,22 Millionen Mark jetzt als erste Rate für die Abriß-Maßnahmen beantragt
Über zehn Jahre lang haben die parlamentarischen „Kontrolleure“ der Wirtschaftsförderung für ein Projekt „Zentrale Montage- und Umschlagstätte für den Großanlagenbau“ Subventionen bewilligt –33 Millionen sagt die Wirtschaftsbehörde, die das 24 Hektar-Grundstück gar nicht erst mitrechnet. Am Donnerstag sollen die Wirtschaftsförderungs-Ausschüsse nun die erste Rate von 7,22 Millionen für „Abrißmaßnahmen“ bewilligen. Die Liste dessen, was abgerissen werden muß, ist dabei längst noch nicht vollständig. Der Bockkran zum Beispiel, das weit über Gröpelingen sichtbare „Wahrzeichen“ der alten, 1983 geschlossenen Werft, ist auch nichts mehr wert –„teilweise beachtliche Rest- und Buchwerte“, so formuliert das der Gutachter der Wirtschaftsbehörde, müßten „auf Null abgeschrieben“ werden.
Die Wirtschaftsförderer versuchen, über diese Wahrheit mit dem Hinweis hinwegzukommen, daß mit dem „Space Park“ nun ja das ganz große Projekt am Horizont aufscheint. Da ist aber der eigene Gutachter in kaum verhüllter Deutlichkeit vollends skeptisch: Ein Space Park habe „keine Beziehung zu den logistischen Strukturen des Hafenumfeldes“, er sei besser „an anderen Standorten“ zu planen –auch die Abwicklung von „Verkehr und Besucherstrom“ würde gegen den Standort AG-Weser sprechen.
Bockkran - Großanlagenbau –einfach weg damit
Mit wieviel staatlichen Geldern das, was jetzt abgerissen werden soll, zuvor gefördert und gepäppelt worden ist, ist für die einzelnen Objekte kaum noch nachzurechnen. Beispiel Bockkran: Zunächst wurde mit EG-Millionen die Kranbahn bis ins seeschifftiefe Wasser verlängert, damit „Großanlagenbau“ dort stattfinden konnte. Dann stand der Kran herum, nichts passierte. Im Frühsommer 1994 beschlossen die Wirtschaftsförderausschüsse, die eine Hälfte des Bockkranes, die noch der Grunau-Gruppe gehörte, für 2 Millionen aufzukaufen. In den neuen Plänen ist da, wo heute noch der 500-Tonnen-Kran steht, das Symbol des Space Park hingemalt.
Beispiel Maschinenbauhallen
Der erfolgreichste Betrieb auf dem AG-Weser-Gelände ist der Holzhändler Hansa-Holz. Der braucht mehr Lagerfläche – seit über einem Jahr laufen die Verhandlungen darüber. Aus diesen Verhandlungen weiß die Behörde, daß Hansa-Holz ca. eine Million für das Gelände, das der Grunau-Gruppe gehört, bezahlen will. Dennoch haben sich Bremens Wirtschaftsförderer in dieses private Geschäft eingeschaltet und sich zur Zahlung von Zinsen über den Bilanzwert von 2,35 Millionen an die Sparkasse verpflichtet.
In der Beschlußvorlage wird nun aufgerechnet, was das bremische Engagement an Wirtschaftsförderungs-Mitteln kostet: Privatfirma A verkauft ein Grundstück mit alten Hallen, das mit Bilanzwert 2,35 Millionen in den Büchern steht, an Privatfirma B. Für das unbebaute Grundstück will B. aber nur 960.000 Mark bezahlen. Was tun? Ein Fall für Wirtschaftsförderung. Die 1,39 Mio Differenz übernimmt die Staatskasse und 350.000 Mark Abrißkosten gleich dazu.
Begründung für das staatliche Engagement im Mai 1994: „.. ergibt sich eine neue Chance, das AG Weser-Gelände der Standortqualität dieser Gewerbefläche entsprechend zu ordnen.“ Eine „Neustrukturierung des Geländes“, so die Begründung, würde „weitergehende strukturpolitische Möglichkeiten eröffnen als dies bei einer Verwertung auf dem freien Immobilienmarkt möglich wäre...“
Standort Space Park
„Neuordnung“, „Konzept“, „Privatinvestitionen“ usw. steht auf der Beschlußvorlage für die Parlamentarier. Das Herzstück des Konzeptes, der Space-Park, befindet sich allerdings noch im Stadium des Prinzips Hoffnung. Östlich des Space-Park-Geländes dehnt sich der Holzhändler aus, westlich werden auf 5 Hektar Stahlplatten gelagert und bearbeitet. Und nördlich die Verpackungsfirma Tiemann. Soweit das Konzept – die neue Attraktion für 1,3 Millionen Bremen-Touristen jährlich also eingerahmt von gröbster Hafenwirtschaft. Keine Idee, wo bei 8.000 täglichen Besuchern 2.000 Autos parken sollen. Gute ÖPNV-Anbindung, sagt das Konzept. Jeder weiß, daß die Straßenbahn 15 Gehminuten entfernt ist – quer durch dreckiges Industriegebiet. Das, was hier als „Konzept“ angeboten wird, löst bei Bremens Stadtplanern helles Entsetzen aus.
„Sinn“ macht das Konzept nicht. Der Gutachter formuliert vorsichtig seine Skepsis, und rechnet grob, was die Infrastruktur für den Neuanfang auf dem AG-Weser-Gelände kosten würde: über 90 Millionen Mark.
Packing Center – abgesagt
Aber die Wirtschaftsbehörde will ihre Parlamentarier mit Optimismus bei der Stange halten. Neben der Idee Space Park soll es ein „Packing Center“ geben, steht in der Beschlußvorlage. Bisher gab es Conpack, eine Verpackungsfirma, auf dem Gelände, die die renommierte Firma Dr. Tiemann übernommen hat. Mit Tiemann stehe man in Verhandlungen über den Verkauf von Hallenkomplexen, schreibt die Wirtschaftsbehörde noch am 28.11.1994.
Was die Parlamentarier nicht wissen können: Am 28.10.1994 schon hat Tiemann alle seine Verträge auf dem AG-Weser-Gelände gekündigt und wissen lassen, daß er bis zum 31.12.1994 dort verschwunden ist. K.W.
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