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„Schütze Dich vor Vergiftungen“

Fachtagung zu „neuen Drogen“ bestätigt dürftiges Wissen über Partydrogen / Über die bereits vergriffene Raverbroschüre wurde heftig gestritten  ■ Von Jeannette Goddar

„Safer Use Info? Tut uns leid, damit haben wir nichts zu tun.“ Die Antwort, die interessierte Anrufer in diesen Wochen von den Mitarbeitern der Landesdrogenbeauftragten bekommen, ist ebenso richtig wie doppeldeutig. Denn mit nichts will das Berliner Drogenreferat traditionell weniger zu tun haben als mit Anleitungen zum Drogengebrauch, wie sie unter dem Titel „Safer Use Info zu Ecstasy, Speed, LSD, Kokain“ seit zwei Monaten in Berliner Clubs kursiert.

„Die Broschüre suggeriert, daß es möglich ist, ungefährdet Drogen zu nehmen“, warf Christine Köhler-Azara vom Drogenreferat den Herausgebern der Broschüre von „Eve & Rave“ vor. Wie so oft bei drogenpolitischen Debatten erwiesen sich die Fronten zwischen Vertretern akzeptierender Drogenarbeit und Abstinenzverfechtern als so verhärtet, daß die Diskussion vorzeitig abgebrochen wurde.

Etwa 150 Fachleute waren in der Senatsverwaltung für Jugend zusammengekommen, um ihr eher dürftiges Wissen über Partydrogen und deren medizinische und psychologische Folgen zusammenzutragen. Denn die meisten, die sich die Nächte in der Techno-Szene um die Ohren schlagen, tauchen (bisher) nicht in der Drogenhilfe auf.

„Wir sind von der Entwicklung überrollt worden“, gestand die Ärztin Marianne Ledwan, „viele schlucken vieles aufeinander, und wir kennen oft die Substanzen nicht.“ Sie hat als eine der wenigen mit Kids zu tun, bei denen die Ekstase zum Horrortrip mit körperlichem Kollaps oder paranoid-halluzinatorischen Wahnvorstellungen wurde.

Letztlich seien die körperlichen Schäden jedoch nicht das Schlimmste, waren sich die meisten einig. Das Zusammenspiel von Drogen, Techno und Partys sei besonders für Jüngere psychologisch riskant, erklärte Birgit Spohr vom Therapieladen: „Den Kids geht die Lust am Alltag verloren. Das ist das eigentlich Schlimme.“ Wenn ihnen das Interesse für alles außerhalb des Party-Kreislaufs abhanden gekommen sei, kämen die eigentlichen Probleme – in Schule und Job, mit der Finanzierung der kohlefressenden Nächte, im Freundeskreis.

Das jedoch hatten auch die Initiatoren von „Eve & Rave“ im Kopf, die in ihrer Broschüre für einen gepflegten Umgang mit Drogen plädieren. Abgesehen von den banalen Hinweisen: „Schütze Dich vor Überdosen und Vergiftungen“ und „Drogen zu kaufen und zu besitzen gilt als strafbare Handlung“, liefert das „Safer Use Info“ „Risikolisten“ von gemischt eingeworfenen Substanzen sowie Infos über die Wirkstoffe in Ecstasy, Speed und LSD. Gewarnt wird vor den „sehr heftigen Trips mit den Urwaldmotiven und sogenannten Micros“ sowie vor häufigem LSD-Konsum: „Du wirst merken, daß Dein Hirn nicht mehr so schnell reagiert. Es braucht eben seine Zeit zur Erholung.“

In jedem Falle, so rät die Broschüre, die unter anderem vom Bunker, dem Drama und dem E-Werk finanziert wurde, solle sich jeder, der am Wochenende Drogen nehmen wolle, vorher klarmachen, wie es ihm geht, und „bevor der Montag kommt: gut ausschlafen!“.

So zynisch einige der Rubriken denen, die nicht auf der Suche nach „Love, Peace and Unity“ sind, auch scheinen mögen („Herzstillstand liegt vor bei: plötzlicher Bewußtlosigkeit, weiten lichtstarren Pupillen, Fehlen des Pulses“), so gesucht ist Information unter den Ravern: „Safer Use Info“ ist längst vergriffen – 20.000 Exemplare wurden seit Oktober verteilt.

„Uns geht es um die, die experimentieren“, erzählt Reiner Domes von „Eve & Rave“. „Wenn Leute Drogen als Phase durchmachen, sollen sie wenigstens ohne bleibende Schäden wieder rauskommen.“

Mit Reiner Domes arbeiten etwa 40 Leute, von denen einige aus der Drogenarbeit und die meisten aus der Raver-Szene kommen, bei dem Projekt mit. Noch sind sie ein „Feierabendverein“ ohne Räume und Stellen, träumen aber von einem „bundesweiten Netzwerk“ für Raver und von einer „Eve & Rave“ Factory für Klamotten und anderes. „Wir wollen auch die Raver-Kultur wiederaufleben lassen, 'ne Art zu Hause bieten und ein bißchen vom Kommerz wegkommen.“

Noch sind die drogenberatenden Raver in der Hilfeszene ziemlich unter sich. Dabei werden sie nicht nur von Abstinenzverfechtern geschnitten, sondern auch angesichts ihrer ungewöhnlichen Klientel skeptisch beäugt. Die Zusammenarbeit mit Drogenberatern und Therapeuten werden sie jedoch für die brauchen, die in der „Phase“ hängenbleiben. „Wir schätzen, daß etwa 15 Prozent massive Probleme bekommen“, erzählt Domes.

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