piwik no script img

„Der Pate des Paten ist unantastbar“

■ Buchautor Michael Radtke über das Medienimperium von Kirch und Beisheim

taz: Daß Medienunternehmen flexibel mit Gesetzen umgehen, kennt man ja nicht nur aus München. Wie lautet der Vorwurf, den Sie speziell Leo Kirch machen?

Michael Radtke: Machtmißbrauch und die Verquickung von Medien und Politik. So wie sich in Italien die alte Machtelite, nämlich die politische, mit der neuen, nämlich den Medien, verbunden hat und ein wucherndes Machtzentrum bildet, sieht es auch in Deutschland aus. Damit hängt eng die Frage der Öffentlichkeit zusammen. Nach meinem Demokratieverständnis ist Öffentlichkeit eine zentrale Ressource von Demokratie. Kirch, der keine Kartoffelchips herstellt, sondern in einem hochsensiblen Bereich ackert und akkumuliert, entzieht sich dieser Öffentlichkeit aufs rigoroseste.

Glauben Sie wirklich, daß man in der heutigen Informationsgesellschaft mit Sat.1 und „Bild“ die Nation steuern kann?

Die Bild-Zeitung ist die größte Orgel im Lande, mit zehn Millionen Lesern. Wer Bild hat, hat ein großes Stück der Macht im Lande. Wenn man sich die home stories über Hannelore Kohl in der Wahlkampfzeit ansieht, wenn man auf die Reihe der Bild-Zeitung zur neuen Uschi-Glas-Serie auf Sat.1 sieht, dann weiß man, was Medienverbund heißt und wie man sich gegenseitig aufs Pferd hilft.

Gibt es eine Schaltzentrale, die „Bild“ und Sat.1 koordiniert?

Das darf man sich nicht zu simpel vorstellen. Natürlich gibt es auch immer einen normalen, redaktionellen Ehrgeiz. Aber im Zweifelsfalle und bei strategischen Fragen sitzt die Schaltzentrale bei Kirch in Unterföhring. Der Springer-Verlag hat nicht einmal mehr ein Ressort elektronische Medien. Manfred Niewiarra, der dieses Ressort führte, ist vor kurzem erst entlassen worden. Der Vorstandsvorsitzende Jürgen Richter sagt, er nehme diese Aufgabe wahr. Aber das ist ein schlechter Witz – bei dem, was er schon alles auf dem Schreibtisch hat.

Wie sehen Sie die digitale Fernsehzukunft?

Wer auf dem Programmvorrat sitzt, der hat auch künftig bei den digitalen Kanälen die Nase vorn. Diese scheinbare Selbstbestimmung des Publikums, weil man angeblich irgendwann einmal zwischen 500 Kanälen wählen kann, ist für mich eine Schimäre. Es geht nach wie vor darum: Wer hat die internationalen Verbindungen, wer hat die Ressourcen? Und dann läuft es wieder zu einem Gutteil auf Kirch zu.

Ihnen scheinen zahllose geheime Unterlagen vorzuliegen. Wie sind Sie da rangekommen?

Das mit den Unterlagen, das stimmt. Das Buch ist zu etwa 80 Prozent aus bisher nicht veröffentlichtem Material geschrieben. Was etwa die Bilanzen von Pro7 betrifft, die vielen Filmverträge mit ORF, ZDF und ARD, der Friedensvertrag zwischen Kirch und Springer. Woher die Dokumente stammen, kann ich Ihnen natürlich nicht verraten.

Es scheint einflußreiche Leute zu geben, die Sie unterstützt haben.

Das ist für mich das Faszinierende gewesen. Es gibt konservative Menschen, Banker, Wirtschaftsleute, die bereit sind, bei solch einer Recherche mitzuspielen. Einfach weil sie möchten, daß diese Machtagglomeration, speziell wenn man den Metro-Eigentümer Otto Beisheim dazunimmt, etwas durchschaubarer wird, etwas zurückgeschnitten wird, sich wieder etwas mehr den demokratischen Spielregeln annähert.

Vorausgesetzt, Ihre Behauptungen stimmen und Otto Beisheim steht tatsächlich hinter Leo Kirch: Wie soll ein Schweizer Multimilliardär kontrolliert werden?

Otto Beisheim ist der Pate des Paten. Er ist faktisch unantastbar. Er sitzt in der Schweiz, seine Firmen sind in solche Einheiten aufgespalten, daß sie überhaupt nicht von außen einsehbar sind, er hat starke politische Connections: Der Kaufhof-Chef Jens Odewald ist persönlicher Freund von Helmut Kohl. Beisheim ist ähnlich wie Kirch nach oben abgeschirmt. Er ist nicht greifbar und stellt sich nahezu keiner Nachfrage. Das, was große Unternehmen heute ganz klar als gesellschaftliche Verantwortung formulieren, gibt es bei der Metro nicht.Das bereitet vielen Leuten Sorge, auch eher konservativen aus der Wirtschaft. Ich bin davon überzeugt, daß Otto Beisheim zumindest auf dem Beschaffungssektor eng mit Leo Kirch kooperiert. In der Schweiz ist das alles aber nicht nachprüfbar. An den Kern der Wahrheit, speziell in einer Gemeinde wie Zug, wo Beisheim wohnt, werden Sie nur dann herankommen, wenn Sie den halben Ort in die Luft sprengen...

..oder wenn man dazugehört...

...oder wenn man Zugang findet zu ein paar kritischen Geistern, wie ich das in Zug geschafft habe, die mir dann in Sachen Kirchs Stasi- Connection Material geliefert haben. Das war ein besonderes Erfolgserlebnis. Schließlich wirkt es in Zug schon unschicklich, wenn man an die Tür des Handelsregisters klopft und um Auskunft bittet. Interview: Michael Stadik

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen