: Kampflose Übernahme durch die Nazis
■ Die Polizei widmet sich erstmalig ihrer Rolle zwischen 1933 und 1945
Positiv zu würdigen gibt es wenig. Da ist der mutige Reviervorsteher Krützfeld, der in der Pogromnacht 1938 die Brandstiftung der jüdischen Synagoge verhinderte und dafür entlassen wurde. Dazu gehört das im Widerstand aktive SPD-Mitglied Theodor Haubach, der von den Nazis hingerichtet wurde, sowie der Polizei- Gewerkschafter Ernst Schrader, der an den Folgen der KZ-Folter starb. Einzelfälle, die untergehen angesichts der schmählichen Rolle der Polizei als Werkzeug der Nazis.
Zu mißbrauchen gab es bei der preußischen Polizei wenig, macht der gestern eröffnete Ausstellungsteil der „polizeihistorischen Sammlung“ im Polizeipräsidium am Platz der Luftbrücke deutlich. Nicht verschwiegen wird, wie leicht es für die Nazis war, die Polizei zu übernehmen. Schon vor der Machtergreifung hatte Goebbels mit einer antijüdischen Hetzkampagne den stellvertretenden Polizeipräsidenten Weiss aus dem Amt getrieben und zugleich geschickt die „arischen“ Polizeibeamten umworben. Und die reaktionäre Papen-Schleicher-Regierung hatte bereits im Sommer 1932 die Polizeiführung gesäubert.
Der Ideologisierung durch die Nazis widersetzte sich die preußische Polizei deshalb nicht, leistete vielmehr sofort tätige Mithilfe bei der Ausschaltung der politischen Gegner. Die Polizei überließ im Frühjahr 1933 die Verhafteten bereitwillig der SA und ignorierte die Folterungen in den Konzentrationslagern. Reibungslos wandelte sich die Preußische Geheime Staatspolizei zur Gestapo und die Polizei zum willfährigen Werkzeug für den Völkermord. Zwei Berliner Polizeibataillone ermordeten Tausende Menschen in der Sowjetunion. Und „mit den besten Kräften“ wurde noch nach dem Selbstmord Hitlers in Berlin gekämpft.
Daß dieser Ausstellungsteil der seit siebzehn Jahren bestehenden „polizeihistorischen Sammlung“ erst und gerade jetzt eröffnet wurde, habe nichts zu tun mit aktuellen ausländerfeindlichen und rassistischen Vorfällen in der Polizei, versicherte Polizeipräsident Saberschinsky. Die Ausstellung sei schrittweise aufgebaut worden, und „der Zeitraum war jetzt dran“.
Doch ganz so selbstverständlich, wie es der Polizeichef darstellte, ist die Beschäftigung mit diesem „dunklen, schlimmen Teil der Polizeigeschichte“ nicht. Schließlich ist Berlin die erste Polizeibehörde in der Bundesrepublik, die sich der eigenen Rolle in dieser Zeit widmet. Eine „Auseinandersetzung ist unumgänglich“, betonte Saberschinsky. Konsequenzen und Lehren könnten nur gezogen werden, wenn man nichts verschweige. Die Ausstellung solle zudem zeigen, „was man alles mit einer solchen Organisation machen kann“, um die Polizei „rechtzeitig vor solchen Bestrebungen zu bewahren“. Gerd Nowakowski
Öffnungszeiten: Montag bis Mittwoch 9.30 bis 11.30 und 13 bis 15 Uhr, Donnerstag und Freitag nur für Gruppen nach Vereinbarung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen