: Schneller Abriß, schnelles Geld
■ Die Mauerstraße 15 in Mitte soll geräumt und abgerissen werden / Denkmalbehörde und Bürger protestieren
Gegen den geplanten Abbruch des 1860 errichteten Wohnhauses Mauerstraße 15 regt sich massiver Protest. Das seit fünf Jahren besetzte Gebäude soll noch in diesem Jahr abgerissen werden. Die Besetzer wurden vom Eigentümer aufgefordert, bis morgen ihre Sachen zu packen und das Haus zu verlassen. Grund für die Hektik: Die Abrißgenehmigung, die der Hausinhaber im Zuge eines Investitionsvorrangverfahrens über die Senatsbauverwaltung erwirken konnte, gilt nur noch bis Ende 1994. Danach müßte der Antrag neu gestellt werden.
Gegen den erneuten Kahlschlag eines noch historischen Gebäudes in der Berliner Mitte macht der Verein „Botschaft e.V.“ mobil. Die Künstlercombo, die kurz nach der Wende das ehemalige WMF- Gebäude in der Mauer- Ecke Leipziger Straße besetzt hatte und jetzt in der Kronenstraße 3 residiert, hat es sich zum Ziel gesetzt, „die Öffentlichkeit für diesen Fall zu interessieren“ und das Gebäude nach dem Ablauf der Abrißgenehmigung unter Denkmalschutz stellen zu lassen.
Das Gebäude Mauerstraße 15, erinnerte am Dienstag abend ein Hausbewohner, der in eine Diskussionsveranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung zum Thema „Wer rettet Berlins Altbausubstanz?“ platzte, gehöre zu den wenigen vorgründerzeitlichen Bauten des Viertels. Das schmale fünfgeschossige Gebäude besitze eine – wenn auch marode – neobarocke Fassade und einen ungewöhnlichen außenliegenden Treppenturm. Dieses erst später hinzugefügte Treppenhaus diente als separater Ausgang für verschämte Freier in den Jahren, als das Gebäude einen stadtbekannten Puff beherbergte. „Gerade deshalb muß das Gebäude gerettet werden“, lautete der lapidare Kommentar eines Teilnehmers der Diskussionsrunde.
Spontane Unterstützung erhielten die Abrißgegner von Berlins Landeskonservator Helmut Engel, der Denkmalexpertin in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Gabi Dolff-Bonekämper, sowie von Dorothee Dubrau, Baustadträtin im Bezirk Mitte. Während Engel sich dafür aussprach, das Haus auf jeden Fall zu erhalten und zu prüfen, ob sich „kunsthistorische oder stadtgeschichtliche Besonderheiten“ dort finden lassen (damit ein Antrag auf Denkmalschutz gestellt werden kann), sprach sich Dubrau dafür aus, das Haus nicht zu räumen. In diesem Fall, wo es keine Instrumente mehr gäbe, den Abriß durch die Behörde zu verhindern, müsse die Öffentlichkeit mobilisiert werden.
Nicht nur „Menschenketten“ könnten solche Häuser retten, wie ein Zuhörer meinte, sondern auch politische Willenserklärungen, ein neues Denkmalgesetz (das laut Hassemer noch 1995 eingeführt werden soll) und rechtliche Bestimmungen, sagte Dolff-Bonekämper. Zum „Gebot der Stadterhaltung“ könne man etwa den Paragraphen 176 des Baugesetzbuches heranziehen. Dieser fordere, Baulücken zu bebauen. Durch Abrisse rentabel geweitete Grundstücke ließen sich so vermeiden. Der Architekturhistoriker Dieter Hoffmann-Axthelm kritisierte in diesem Zusammenhang den Senat. Dieser habe dem Abriß-Druck der Investoren zu sehr nachgegeben, statt sich politisch dagegenzustemmen. „Eine Stadt ohne alte Bausubstanz ist nicht lebensfähig.“
Die Mauerstraße ist Teil eines Bauvorhabens zwischen Kronen-, Leipziger und Mauerstraße. Ebenfalls auf der Abbruchliste steht der hintere Gebäudeteil der Kronenstraße 3, dem Sitz der Botschaft e.V. Im Gegensatz zum WMF-Gebäude, das vor zwei Jahren auf Betreiben des Vereins Botschaft unter Denkmalschutz gestellt wurde, haben die Kronenstraße und die neobarocke Mauerstraße 15 bislang noch keinen Platz in der Denkmalliste gefunden. In einer Ausstellung des für Denkmalpflege zuständigen Senators für Stadtentwicklung und Umweltschutz wurden sie allerdings als Ensemble an der Ecke Kronenstraße als denkmalwerter Bau eingestuft. In einem Gutachten der Architekten Georg Augustin und Ute Frank von 1990 wurde die Mauerstraße 15 als einzigartig und als letztes noch erhaltene Gebäude seiner Art gelobt. Rolf Lautenschläger/Uwe Rada
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