Noch hat Polen nicht allzu viel gewonnen

■ Mittelosteuropa freut sich über das Ja der EU zum Beitritt – trotz hoher Hürden

Essen (taz) – Polens Ministerpräsident Waldemar Pawlak betont das Positive. „Noch vor einem Monat hätten wir uns nicht vorstellen können, überhaupt zu diesem Gipfel eingeladen zu werden.“ Jetzt haben er und die Regierungschefs der fünf anderen mittel- und osteuropäischen Beitrittskandidaten die Einladung für alle weiteren EU-Dezembergipfel in der Tasche, die Außen- und Innenminister sollen halbjährlich tagen, und es gibt ein „Strategiepapier“, in dem das Ziel „Beitritt“ festgeschrieben ist. Gesichert sind auch die Unterstützungszahlungen aus dem Phare-Programm von mindestens 1,1 Milliarden Ecu (knapp 2,2 Milliarden Mark) jährlich.

Jetzt hänge es von Polen ab, „ob wir die Chance nutzen. Unsere Aktivität kann den Zeitplan verändern“, sagte Pawlak vor den wenigen polnischen und einzelnen deutschen Journalisten, die sich am Ende der zwei Gipfeltage noch zu seiner Pressekonferenz eingefunden haben. Einen Termin für den Beitritt gibt es seitens der EU nicht; darum versuchte Pawlak, einen aus den West-Ost-Gesprächen herauszudestillieren: Das Jahr 2000 sei ein „symbolischer Punkt“. Außerdem hätten „der dänische und der holländische Regierungschef gesagt, daß sie es begrüßen würden, wenn der Angleichungsprozeß dann abgeschlossen sein könnte“.

Die Hürden, die die Westeuropäer für ihre östlichen Nachbarn aufgebaut haben, sind hoch. Mindestens so reich und so demokratisch gefestigt wie Spanien müssen sich die Kandidaten präsentieren. Gerade Polen, wo noch 25 Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft arbeiten, ist davon weit entfernt. Und auf die Frage, wie der hohe Agraranteil an der polnischen Volkswirtschaft gesenkt werden könne, ohne ländliche Massenarbeitslosigkeit zu schaffen, wußte Pawlak keine Antwort.

In den westeuropäischen Industriestaaten arbeiten zwischen zwei (Deutschland) und 14 Prozent (Portugal) als Bauern. Da die Bauern in der EU hoch subventioniert werden, würden unter heutigen Bedingungen die „unreifen Länder“ Portugal und Griechenland ebenfalls nicht aufgenommen werden, hieß es aus EU-Kreisen.

Gegen das Image des armen Bittstellers hat sich während des Gipfels vor allem die Tschechische Republik verwahrt. „Wir erwarten nicht, daß wir etwas von der EU bekommen, wir wollen aktive Partner sein“, sagte der tschechische Ministerpräsident Vaclav Klaus in seiner Rede vor dem Europäische Rat und meldete den Anspruch der Tschechen an, bei den anstehenden EU-Debatten „als Insider“ dabeizusein.

Untereinander betrachten sich die sechs Betrittskandidaten nicht als Konkurrenten um die Gunst der EU. „Es ist ja nicht so, daß wir nicht hineinkommen, wenn Tschechien vorher drin ist“, meinte der polnische Außenminister Andrzej Olechowski. Auch wenn die baltische Staaten oder Slowenien eher EU-Mitglieder werden sollten, scheint das in Polen niemanden zu stören. „Die sind kleiner und können sich schneller anpassen.“ Trotz der Agrarprobleme bleibt Olechowski optimistisch. „Als über Spaniens Betritt verhandelt wurde, hieß es auch, daß die Landwirtschaft sämtliche EU-Kassen sprengen würde.“ Donata Riedel