: „Ein unheimlicher Berg an Wissen“
■ Gegen Ursel Quack und Stefan Frey wird aufgrund von Steinmetz-Aussagen ermittelt / Sie finden, daß der V-Mann auch für den Staatsschutz ein „ziemlich heißes Eisen“ ist
taz: Die Bundesanwaltschaft führt gegen Sie beide ein Ermittlungsverfahren. Der eine Vorwurf lautet Unterstützung, der andere Mitgliedschaft in der RAF. Beide Verfahren basieren auf Aussagen von Steinmetz. Ist da was dran?
Stefan Frey: Gegen mich ermittelt die Bundesanwaltschaft seit dem Spätsommer 1993 wegen Mitgliedschaft. Steinmetz behauptet, ich hätte den Kontakt zwischen ihm und der RAF hergestellt. Ich hätte ihm Ende 1991 einen Termin und einem Ort in Frankreich genannt, an dem er sich mit der RAF treffen könne. Darüber hinaus läuft ein Verfahren gegen Unbekannt, das die Bundesanwaltschaft im März 1994 eingeleitet hat, kurz nachdem sie das frühere Auto von Steinmetz in Wiesbaden beschlagnahmt hat. In dem Fahrzeug sollen angeblich Sprengstoffspuren gefunden worden sein, die im Zusammenhang mit der Aktion gegen den Knast Weiterstadt stehen könnten.
Es läuft auch ein Verfahren gegen Gila Pohl. Steinmetz behauptet, sie habe ihm 1993 einen Kassiber der RAF zugespielt. Gila Pohl hat aber schon im Sommer 1994 öffentlich erklärt, daß sie Steinmetz nie im Leben gesehen hat.
Ursel Quack: In meinem Vefahren taucht die Person Steinmetz eher am Rand auf. Mein Kontakt zur RAF wird konstruiert über einen Brief, der bei Birgit Hogefeld gefunden wurde. Aufgrund angeblicher autobiographischer Übereinstimmungen wird er mir zugeordnet. Den Kern des Verfahrens bildet die Behauptung, daß ich das angebliche Konzept der RAF, den Aufbau einer Gegenmacht von unten, in Saarbrücken umsetzen würde, und zwar in drei konkreten Initiativen. Das ist zum einen das antifaschistische und antirassistische Notruftelefon, das ist eine Stadtteilzeitung und die antirassistische „Gelbe-Punkt-Aktion“. Mit diesen Initiativen soll ich dazu beitragen, die RAF in ihrem Bestand zu fördern. Darüber hinaus soll ich auch an angeblichen konspirativen Treffen eines harten RAF-Unterstützerkreises teilgenommen haben. Hintergrund sind Diskussionen um die Neubestimmung revolutionärer Politik Ende 1992, Anfang 1993, an denen ich teilnahm. Diese Diskussionen wurden auf Band aufgenommen, abgetippt und in die Knäste geschickt. Die Gefangenen sollten mitbekommen, was diskutiert wird. Die Konspirativität wird damit begründet, daß anstelle von Namen Nummern verwendet wurden. Als drittes Standbein wird genannt, daß ich eine ideologische Nähe zur RAF haben soll. Das stützt sich vor allem auf Briefe, die ich an Manuela Happe und Rolf Heißler geschickt habe.
Bei Birgit Hogefeld sind aber Briefe gefunden worden, in denen auch über ein bundesweites Treffen berichtet wurde, das sich mit dem Aufbau einer solchen Gegenmacht beschäftigte.
Frey: Wichtig ist, wie bisher die Aussagen von Klaus Steinmetz eingesetzt werden. Er war nach seinen eigenen und den Angaben der Behörden neun Jahre als Agent innerhalb der radikalen Linken aktiv. In dieser Zeit ist ein unheimlicher Berg an Wissen über Personen, Strukturen und Beziehungen bei den Verfassungsschutzbehörden angehäuft worden. Das ist mehr als die 300 Seiten, die bisher in den verschiedenen Verfahren offengelegt wurden. Diese Aussagen werden in den laufenden Kriminalisierungsvorstößen bisher kaum eingesetzt. Das hängt damit zusammen, daß Steinmetz für den Staatsschutz ein ziemlich heißes Eisen ist, wegen seines eineinhalbjährigen Kontakts zur RAF. Nach meiner Meinung hat der Verfassungsschutz kein Interesse, daß Steinmetz in einem Prozeß als Kronzeuge auftritt. Auch für den Verfassungsschutz ist er unkalkulierbar. Deshalb muß wie bei Ursel ein Brief herhalten, der an die RAF geschrieben wurde und der einfach Ursel zugeordnet wird.
Quack: Der Brief steht als Indiz für Kontakte zur RAF im Haftbefehl. Die Post, die bei Birgit Hogefeld gefunden wurde, ist zur Begründung des Haftbefehls im Grunde genommen auch nebensächlich. Ich will jetzt nicht sagen, die Sachen sind von mir oder sie sind es nicht. Wir dürfen uns grundsätzlich vom Staat nicht vorschreiben lassen, wer mit wem diskutiert. Es handelt sich um eine staatliche Taktik, mit der verhindert werden soll, daß sich die Linke eine relevante Strategie erkämpft.
In einem internen BKA-Gutachten wird die Rolle von Steinmetz für die RAF als bedeutender eingeschätzt, als er selber eingeräumt hat. Sehen Sie das auch so?
Frey: Konkret kann ich natürlich nicht wissen, was Steinmetz gemacht hat. Daß der Verfassungsschutz die Karten nicht auf den Tisch legt, ist nichts Neues. Die angebliche Schmücker-Waffe zum Beispiel hatte der VS selbst jahrelang abgebunkert. Nicht nur deshalb fordern wir ja die Offenlegung aller Aussagen von Steinmetz und die Einstellung der damit im Zusammenhang stehenden Ermittlungsverfahren. Aus meiner Erfahrung vom Anfang der achtziger Jahre kann ich nur generell sagen, wenn ein Kontakt zur RAF über einen solch langen Zeitraum gelaufen ist, ging es dabei auch immer um den Aufbau kämpfender Strukturen.
Was sollte den Verfassungsschutz hindern, sein Wissen aus den Steinmetz-Aussagen offenzulegen?
Frey: Wenn sie dieses Wissen offenlegen, dann muß die Person Steinmetz vor Gericht auftreten. Und da fängt es für sie an, heikel zu werden. Das BKA-Gutachten verstehe ich im übrigen in dem Zusammenhang, daß einige im BKA kapiert haben, daß in den Akten beim Verfassungsschutz viel mehr über Steinmetz geschrieben steht, als bisher herausgerückt wurde. Und da soll jetzt der Deckel draufgehalten werden.
Quack: Die Taktik des Staatsschutzes setzt an der derzeitigen Krise der revolutionären Linken an. Sie versuchen den gegenwärtigen Zerfallsprozeß zunächst laufen zu lassen. Da, wo es Ansätze zu Wegen aus dieser Krise gibt, da schlagen sie mit dem vermeintlichen Steinmetz-Wissen zu. Dann werden die entsprechenden Aussagen eingesetzt. Die anderen können sie bei Gelegenheit dann an anderer Stelle einsetzen. Steinmetz wird uns deshalb wohl noch viele Jahre beschäftigen.
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