: Viel Arbeit, keine Macht
■ Bezirkliche Ausländerbeauftragte beklagen Arbeitsbedingungen / Stellen abgeschafft oder gefährdet
Die Ausländerbeauftragten der Bezirke haben sich einen Wunschzettel zu Weihnachten geschrieben. „Wir erledigen so viele Aufgaben ohne alles“, begründete Emine Demirbüken aus Schöneberg ihr Begehren, „wir haben kaum Kompetenzen, kein Recht auf eigenständige Öffentlichkeitsarbeit, keinen Etat, keine Mitarbeiter, keine sicheren Stellen.“ Sie und ihre AmtskollegInnen möchten nicht länger als „Alibi“ und „Aushängeschilder“ fungieren, sondern wünschen sich, daß die PolitikerInnen auf Bezirks- und Landesebene ihre Arbeit in Berlin mit seinen 410.000 AusländerInnen „endlich ernst“ nehmen.
Aktueller Hintergrund ihrer Klage: Die Bezirke Pankow und Weißensee haben die Stelle einer Ausländerbeauftragten schon vor zwei Jahren abgeschafft, in Hellersdorf und in Prenzlauer Berg steht womöglich das gleiche an. Die Begründung dafür, daß dort doch nur wenige Nichtdeutsche lebten, kann die Marzahner Ausländerbeauftragte Elena Marburg nicht akzeptieren: „Im Osten gibt es Ausländerfeindlichkeit ohne Ausländer, der entgegengewirkt werden muß. Integration ist ein beidseitiger Prozeß.“
Letzteres scheinen auch viele Westbezirke immer noch nicht begriffen zu haben. In Reinickendorf, Steglitz, Tempelhof, Wilmersdorf, Zehlendorf und selbst in Neukölln mit seinem hohen Ausländeranteil gibt es bis heute keine Ausländerbeauftragten. Um so mehr Zulauf müssen die 15 Bezirksbeauftragten bewältigen. Dabei haben sie schon Arbeit genug: Weil Nichtdeutsche bekanntlich nicht das kommunale Wahlrecht besitzen, sind sie die einzigen, die deren Probleme bündeln und in die deutschen Gremien einbringen können. Daneben halten sie Fachtagungen, Seminare, Gespräche in Schulen oder bei der Polizei sowie individuelle Beratungen ab. Sie leisten eine ähnliche Querschnittsarbeit wie die Frauenbeauftragten, werden aber nur als Sachbearbeiter bezahlt. „Eine typische Frauenstelle ohne Macht und Karrieremöglichkeiten“, findet die Kreuzberger Ausländerbeauftragte und wundert sich nicht, daß unter ihren AmtskollegInnen nur zwei Männer sind.
Amt für Frauenstreit?
Auch an anderer Stelle sollen Betreuungsangebote reduziert werden. Nasrin Bassiri, die im Schöneberger „Amt für Frauen“ eine Beratung für Immigrantinnen und Flüchtlingsfrauen aufgebaut hat, kann ihre Arbeit – zumindest vorläufig – nicht fortsetzen. Frauenstadträtin Elke Judersleben (SPD), die als Amtsleiterin mehr Kompetenzen hat als die Frauenbeauftragten in anderen Bezirken, hat der gebürtigen Iranerin vor kurzem mitgeteilt, ihre halbe Stelle werde nicht verlängert. Formaler Grund: Nasrin Bassiri teilt sich die Stelle mit einer Deutschen, die zum Jahresende kündigte. Da die Stelle ursprünglich eine ganze war, läuft auch Bassiris Vertrag aus.
Seine kurzfristige Nichtverlängerung erklären Insiderinnen aber auch mit dem nicht gerade innigen Verhältnis zwischen Mitarbeiterin und Amtsleiterin. Daß im Amt nicht gerade eitel Harmonie herrscht, gibt auch Amtsleiterin Judersleben zu. Gleichzeitig steht sie unter dem Druck, beweisen zu müssen, daß ihr mit drei Stellen ausgestattetes Amt sinnvoll ist und Frauenbeauftragte allein nicht ausreichen. Weil sie dabei ganz besonders gründlich vorgehen will, hat die SPD-Politikerin „in langwieriger Abstimmung mit dem Frauenausschuß“ zwei Studien zur Situation der weiblichen Einwohnerschaft Schönebergs erstellen lassen. Darauf aufbauend, wollte sie den Schwerpunkt der Stelle ändern, auf der jetzt noch Nasrin Bassiri sitzt: „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ soll er heißen. Die Bezirksverordnetenversammlung hat jedoch vergangene Woche dafür gesorgt, daß daneben der alte Schwerpunkt „Beratung von Immigrantinnen“ explizit erhalten bleibt, indem sie gleich zwei ähnliche Dringlichkeitsanträge von SPD und Grünen verabschiedete. Ute Scheub
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