: Terminator gerade billig genug
■ Die Etats der staatlichen russischen TV-Kanäle werden von den Übertragungskosten aufgefressen
Die Programme werden immer bunter, das Niveau ist tief gefallen. Live-Übertragungen aus dem Bolschoi-Theater gibt es schon lange nicht mehr, von eigenen Filmproduktionen ganz zu schweigen. Den beiden staatlichen Fernsehgesellschaften Rußlands, Ostankino und RTV („Russisches Fernsehen“), reicht das Geld vorn und hinten nicht: „Ein Paket Schwarzenegger- Filme zu kaufen ist für uns gerade billig genug.“
Und noch anders läßt sich sparen: Immer mehr Sendezeit gibt Ostankino an private Fernsehgesellschaften ab, vor allem in der gutbezahlten Prime time. Qualitativ gute Filme aus dem Ausland kann sich heute offensichtlich nur die private Fernsehgesellschaft NTV leisten. Die Gesellschaft wurde im August 1993 von ehemaligen Ostankino-Mitarbeitern gegründet und steht in enger Beziehung zum Moskauer Bürgermeister Luschkow. Und der hat, so wird berichtet, die Absicht, beim nächsten Mal für das Präsidentenamt zu kandidieren.
Auch sein möglicher Gegenkandidat Boris Jelzin weiß, daß Fernsehen im Wahlkampf nützlich sein kann. Als er Ende November eine Zusammenlegung der beiden staatlichen Fernsehgesellschaften ankündigte, waren sich die Kommentatoren einig: Er will „die absolute Kontrolle über den Äther“ (Iswestija).
Wenige Tage später überraschte der Präsident das Publikum mit einem neuen Plan. Statt der Zusammenlegung erließ er jetzt eine Anordnung, nach der Ostankino in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden soll. 51 Prozent für den Staat, die restlichen 49 Prozent sollen an Banken und private Fernsehgesellschaften gehen. Diese Entscheidung stieß bei den Kommentatoren auf Zustimmung: Wenn man für Ostankino privates Kapital mobilisieren könne, sei vielleicht sogar genug Geld da, um auch dem notleidenden RTV zu helfen.
Daß man sich von einer Teilprivatisierung so viel verspricht, liegt auch an dem guten Image des Privatsenders NTV. Dort hatte man in den letzten Wochen profiliert gegen staatliche Willkür Partei ergriffen. Im Gegensatz zu Ostankino und RTV scheute sich NTV nicht, die Hintermänner des Überfalls auf die Most-Bank zu nennen (die allerdings Finanzier von NTV ist). Eine maskierte Abteilung der Präsidentengarde hatte stundenlang die Leibwache des Bank- Chefs in Schach gehalten. Begründung: Man sei auf der Suche nach wichtigen Dokumenten. Und als der offizielle Einmarsch der russischen Truppen in Tschetschenien begann, gab der NTV den Politikern Gaidar und Jawlinski ausreichend Raum, den Einmarschbefehl des Präsidenten in scharfen Worten zu kritisieren.
Daß es NTV finanziell viel besser geht als seinen beiden staatlichen Konkurrenten, liegt nicht zuletzt daran, daß NTV sein Programm nur im europäischen Teil Rußlands sendet. Im Gegensatz zu NTV versorgt Ostankino nicht nur ganz Rußland, sondern auch fast alle anderen ehemaligen Sowjetrepubliken. Mit Hilfe von acht Satelliten wird das in Moskau produzierte Programm zeitversetzt übertragen. Kein Wunder, daß 80 Prozent des Ostankino-Budgets für Übertragungskosten draufgehen. Eigentlich müßte also die Regierung das Geld dafür bereitstellen, daß ihr Sender in den jetzt unabhängigen Staaten Jelzins Sicht der Dinge verbreitet. Aber bei Ostankino tut man so, als sei die Übertragung des Programms nur ein mildtätiges Geschenk: „Für die zentralasiatischen Republiken ist Ostankino doch das Fenster zur Welt“, meint Pressesprecher Schutschkin. Die Fernsehgesellschaften der unabhängigen Republiken könnten schließlich das 15-Stunden-Programm von Ostankino weder finanziell noch qualitativ ersetzen. Auch wenn sie schon gerne unabhängig würden von Ostankino. Gewagt hat das aber bisher nur Estland.
Natürlich braucht Rußland als kultureller Raum ein Fernsehprogramm, das im ganzen Land zu empfangen ist. So ein Programm könnte auch Vermittler zwischen Regionen und Nationalitäten sein. Auch die russischsprachige Bevölkerung in den Nachbarrepubliken hat ein Recht auf qualitativ gutes russischsprachiges Fernsehen. Aber warum muß dieses Programm aus Moskau kommen? Naheliegend wäre, daß man die zu Zeiten der Sowjetunion gemeinsam angeschaffte Technik jetzt auch gemeinsam nutzt – für russischsprachige Programme, die vor Ort produziert werden. Ulrich Heyden, Moskau
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