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Signal für gemeinsame Elternverantwortung

■ Engagierte Väter fordern rechtliche Absicherung für den Trennungsfall

Das gemeinsame Sorgerecht ist Kernstück einer überfälligen und in den meisten vergleichbaren Ländern längst vollzogenen Anpassung des Familienrechts an eine geänderte Familienrealität. Immer geringer ist die Chance der Kinder, in der Formation groß zu werden, in die sie hineingeboren wurden. Kindern all die Trennungen zuzumuten, die für die Erwachsenen vielleicht unvermeidlich sind, bedeutet für sie – da ist sich die Fachwelt einig – ein Desaster. Verantwortungsbewußte Elternschaft bedeutet heute besonders, Kinderinteressen als eigenständige zu akzeptieren, im Trennungsfall das Interesse des Kindes an der Aufrechterhaltung seiner Beziehung gerade zu dem Mann oder der Frau zu respektieren, die aus dem eigenen Leben verschwinden soll. Statt friedliche Lösungen zu befördern, eskaliert der Staat die Konflikte: Gerade in der schwierigsten Phase ihrer Biographie als Eltern werden sie in einen Kampf ums Kind hineingenötigt, bei dem es nur eine/n GewinnerIn und VerliererIn geben kann.

Hier setzt das pragmatische Reformvorhaben der Bundesjustizministerin an: die gemeinsame elterliche Sorge bleibt, wenn kein gegenteiliger Antrag gestellt wird, bestehen. Durch verbesserte Beratungsangebote sollen die Eltern bei der Suche nach einer tragbaren und kindgerechten Lösung unterstützt werden. Beide Entwürfe wollen regeln, daß Alltagsentscheidungen dem Elternteil vorbehalten bleiben, bei dem das Kind seinen Wohnsitz hat. Damit ist der Sorge von VAMV und anderen Rechnung getragen, die Väter könnten ihre Mitverantwortung zur Druckausübung mißbrauchen. Schließlich ist die gemeinsame Sorge jederzeit „kündbar“.

Allein eine verbesserte, gleichberechtigtere Sorgerechtsregelung wird Kindern noch lange keine engagierten und verläßlicheren Väter sichern. Dazu bedarf es eines säkularen Werte- und Verhaltenswandels der Väter. Wer mit dem Argument der erzwungenen Vaterabwesenheit mehr Rechte für Väter fordert, darf zu der freiwilligen Vaterabwesenheit, dem täglichen Desinteresse vieler Väter an ihren Kindern in „intakten“ Familien, aber auch nach Trennungen, nicht schweigen. Die reduzierte rechtliche Sichtweise vieler Männer- und Väterverbände ist unglaubwürdig und perspektivlos. Ebenso perspektivlos im Sinne eines neuen Vaterverständnisses ist aber das Szenario, das uns die Mütterverbände anbieten: die Kinder gehen mit den Müttern durch ein wechselhaftes Leben, den Vätern bleibt die Perspektive seriell befristeter Vaterschaft – nicht gerade das, womit man Väter für einen Perspektivenwechsel von ihrer Arbeits- und Leistungsorientierung hin zu einer stärkeren Familienorientierung, Teilzeitarbeit, Erziehungsurlaub etc., wird gewinnen können. Und das war es doch eigentlich, was die Frauenbewegung immer von uns erwartet hat. Immer mehr und immer noch viel zu wenige Väter wollen es jetzt selbst und erwarten zu Recht auch eine rechtliche Absicherung solcher Lebensplanungen. Werner Sauerborn

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