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Unsere Stimme geht unter

■ Der Leiter der Denkmalpflege, Jörg Haspel, fordert bessere und schnellere Instrumente, um gegen abrißwütige Investoren bestehen zu können, und ist gegen die Ansiedlung des Denkmalschutzes beim Kultursenator

taz: Über 180 Gebäude stehen auf der Abrißliste. Kritiker werfen Ihnen vor, Sie seien wenig konfliktfähig, der Denkmalschutz sei bei Ihnen in schlechten Händen.

Jörg Haspel: Es stimmt, daß wir nicht den tagespolitischen Konflikt suchen, sondern den nachhaltigen konservatorischen Erfolg. Aber ich wüßte nicht, wann wir einem Konflikt aus dem Wege gegangen wären. In der Frage der Unterschutzstellungen ziehen wir das sehr konsequent durch. Eine Haltung, in der wir im übrigen auch von der Leitung hier im Hause unterstützt werden. Insofern ist dieser Vorwurf nicht nachvollziehbar.

Aus dem Denkmalamt in Mitte ist zu hören, sie würden auf Hilferufe wie etwa im Falle des abrißbedrohten „Kaufhaus Leipzig“ in der Rosenstraße nicht reagieren. Man beklagt dort, daß ihre Behörde schläft, nachdem dem Bezirk das Recht der Unterschutzstellung entzogen wurde.

Die Rosenstraße ist mittlerweile unter Schutz gestellt.

Vorläufig ...

Vorläufig, ja. Aber in Mitte wurden seit 1993 über 20 Eintragungen vorgenommen. Das ist verglichen mit anderen Bezirken absolute Spitze und geht auch weit über das hinaus, was wir von unseren eigenen Kapazitäten her eigentlich leisten könnten. Wir haben für die Regierungsbauten Denkmalschutzverfahren eingeleitet, und man kann ja nicht sagen, daß das ein konfliktfreier Raum wäre. Wir haben Kapazitätsprobleme, und der Bezirk hat Kapazitätsprobleme. Und da gibt es tatsächlich ein Nadelöhr. Das sind die Unterschutzstellungsaufgaben, wo wir teilweise erst spät auf eine Gefährdung reagieren können. Bei der Rosenstraße war das drei Tage vor Ablauf der Unterschutzstellungsfrist. Das ist ein Dilemma.

Deswegen wollen sie das Verfahren ändern, damit die jahrelangen Verzögerungsmöglichkeiten der Investoren bei der Unterschutzstellung verhindert werden.

Der Vorwurf, die Denkmalpflege stelle die betroffenen Bauten nicht schnell genug unter Schutz, wird auch von den Investoren gemacht. Die kommen dann und sagen, die Eintragung erfolgt zu einem Zeitpunkt, wo die Planung schon viel zuweit vorangeschritten ist und machen dann durch ihre Rechtsanwälte einen Planungsschaden geltend. Insofern schafft das „nachrichtliche System“, also die rechtzeitige Benachrichtigung über denkmalpflegerische Interessen mehr Planungssicherheit für alle Beteiligten. Überall, wo es nachrichtliche Verfahren gibt, ist der Problemdruck für die Denkmalinventarisation und -eintragung zunächst einmal zurückgegangen.

Das nachrichtliche Verfahren als Königsweg für den Denkmalschutz?

Der Denkmalschutz betrifft ja nicht nur die Unterschutzstellung, sondern auch die Pflege des vorhandenen Denkmalbestandes. Es gibt in Berlin Entscheidungen über den Umgang mit Denkmälern, wo wir in Teilbereichen einer Veränderung des Denkmals zustimmen, wenn es dazu dient, das Denkmal in letzter Instanz zu erhalten und sicherzustellen. Wir haben ja fast überall in den neuen Ländern die Schwierigkeit, daß die Denkmäler häufig liegen bleiben, da wird drum herum investiert und gebaut, und deshalb ist es auch unsere Aufgabe, darauf zu achten, daß die Denkmäler gewisserweise mitgenommen werden und nicht verrotten. Wenn wir uns in dieser Hinsicht im bundesrepublikanischen Maßstab vergleichen, da muß ich sagen, ist die Berliner Denkmalpflege offenbar erheblich besser als ihr Ruf. Das Dilemma ist dabei, daß die Stimme der Denkmalpflege häufig nicht mehr vernommen wird in diesem Konzert der Beteiligten, nicht deutlich genug zu Wort kommt.

Gerade deshalb müßten Sie doch viel eindringlicher auf diese Problematik hinweisen.

Der Denkmalschutz kann nicht für alles verantwortlich gemacht weden. Gerade im Ostteil der Stadt, wo kein verbindliches Planungsrecht besteht, laufen die Denkmalziele und die städtebauliche Entwicklungsperspektive gelegentlich auseinander. Andersrum: Ein bißchen könnte der Eindruck entstehen, als würden Denkmalschutz und Denkmalpflege verantwortlich dafür gemacht, was eigentlich Aufgabe der Stadtplanung und des Städtebaurechts ist. Das betrifft nicht nur die Bezirke, sondern auch die übergeordneten Bereiche. Ich habe den Eindruck, daß zum Beispiel das Regulativ der kritischen Rekonstruktion zwar in großem Maß dazu beigetragen hat, daß die Fehler, die man in der südlichen Friedrichstadt gemacht hat, sich in der nördlichen Friedrichstadt oder Dorotheenstadt nicht wiederholen. Andererseits aber kann ich nur mit der Festlegung von Gebäudefluchten, Blockbebauung, Trauf- und Firsthöhe eine stadtverträgliche Entwicklung nicht sicherstellen. Das bedarf der Differenzierung dieses Instrumentes. Wir würden uns wünschen, daß sehr frühzeitig die stadtplanerischen Ziele und denkmalpflegerischen Interessen in Einklang gebracht werden.

Sie plädieren für kritische Rekonstruktion und Erhalt des Bestands?

Und ein Plädoyer für mehr Planungssicherheit für die Investoren. Wir haben Fälle gehabt, da hatten Eigentümer Zusagen aus der Bauverwaltung, die Grundstücksausnutzung bemesse sich nach der Traufhöhe von 22 Metern und der Firsthöhe mit zwei Geschossen drüber. Da leitet der Bauherr natürlich einen Rechtsanspruch ab. Und dann wird er plötzlich mit der Denkmalbehörde konfrontiert, die stellt den Altbau unter Schutz. Das bringt große Probleme für den Denkmalschutz. Schließlich besteht für ein Vorhaben, das nach Bau- und Planungsrecht genehmigungsfähig wäre, aber durch den Denkmalschutz verhindert wird, ein Entschädigungsanspruch. Deshalb hängt die Durchsetzungsmöglichkeit des Denkmalschutzes auch davon ab, wie es gelingt, planungsrechtlich eine denkmalschonende Ausweisung vorzunehmen.

Haben Sie da eher Probleme mit ihrer eigenen Verwaltung oder der Bauverwaltung?

Die Denkmalpflege macht viele Probleme und kriegt sie auch von allen Beteiligten. Der Versuch, Denkmalschutz und Stadtplanung zusammenzuführen, bietet auf jeden Fall Möglichkeiten, sich zu ergänzen und Erhaltungsinstrumente zu bündeln.

Sie sind also gegen die Forderung, den Denkmalschutz künftig beim Kultursenator anzusiedeln.

Ja. Wenn ich mir anschaue, wie die Kulturverwaltung beim Metropol bereit ist, über den Denkmalschutz hinwegzugehen ...

Problematisch ist, daß der Stadtentwicklungssenator gleichzeitig Planungs- und Erhaltungsbehörde ist.

Die gleiche Konstellation gibt es auch in Nordrhein-Westfalen. Und man kann nicht behaupten, daß dort eine schlechtere Denkmalpflege gemacht wird. Ich glaube nicht, daß der Denkmalschutz beim Kultursenator bessere Ergebnisse vorweisen wird. Es geht vielmehr darum, daß der Denkmalschutz mehr Gewicht gewinnen muß gegenüber anderen Interessen.

Wenn das „Hotel Rother Adler“ in der Schützenstraße oder das „Haus Leipzig“ in der Rosenstraße fallen würden, wäre das für sie eine persönliche Niederlage?

Ja.

Interview: Uwe Rada

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