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Zauberlehrlinge und der Markt

■ Windkraft ist ein boomendes Geschäft geworden

Der Boom der Windkraftspargel an den deutschen Küsten hat einen einfachen Grund: Mit der Windmüllerei läßt sich inzwischen richtig Geld verdienen. Wofür die BefürworterInnen dieser Energiequelle seit Jahrzehnten gestritten haben, ist eingetreten: Der Staat hat die Windkraft mit Steuergeld gefördert, und die Industrie hat serienreife Anlagen entwickelt. Doch obwohl diese Entwicklung ein Musterbeispiel für den vielbeschworenen ökologischen Umbau der Industriegesellschaft sein könnte, regt sich bei den Umweltverbänden inzwischen Widerstand: Zunehmend fühlen sie sich als Zauberlehrlinge, die die gerufenen Geister nicht mehr loswerden.

Denn der Trend zu immer mehr und immer größeren Windkraftanlagen ist unübersehbar. Inzwischen stehen in Deutschland laut Statistik des „Deutschen Windinstituts“ (DEWI) in Wilhelmshaven 2079 Windmühlen mit einer installierten Leistung von 429 Megawatt. Zusammen sind das bisher zwar nur 0,19 Prozent des deutschen Energieverbrauchs, doch die Küstenländer wollen aufholen: Niedersachsen will bis zum Jahr 2000 insgesamt 1000 Megawatt aus der Windkraft ernten, Schleswig-Holstein will bis 2010 1200 MW Windstrom erzeugen und damit über 20 Prozent seines Energiebedarfs decken.

Inzwischen sind die Windanlagen so groß und ausgereift, daß sie sich an Küstenstandorten selbst ohne Fördermittel rechnen. Allein die hohe Einspeisevergütung läßt einen rentablen Betrieb der Anlagen zu. Für 13 Pfennig pro Kilowattstunde produzieren, für 17 Pfennig verkaufen – das hat Investoren ins Land geholt, die mit Alternativenergie nichts im Sinn haben. Sie wollen Geld verdienen.

Zu den schärfsten Kritikern dieser Entwicklung zählen mittlerweile die Umweltverbände. Heidger Brand vom BUND Schleswig-Holstein: „Nur weil Windkraftanlagen CO2 vermeiden, kann dies doch nicht bedeuten, daß sie überall dort gebaut werden, wo sie beantragt werden.“ Ein absoluter Vorrang gegenüber allen anderen Belangen könne der Windkraft nicht eingeräumt werden. Umweltschützer fordern deshalb, ihren Ausbau besser zu planen. Ihre Kritik: Veränderung des Landschaftsbildes von einer ländlichen zu einer „industrialisierten“ Region, Lärm- und Lichteffekte, das Fehlen einer gemeindeübergreifenden Landesplanung, Akzeptanzprobleme und schließlich die „Scheucheffekte“ der Windräder auf Vögelzüge. Im niedersächsischen Umweltministerium ist man dem von vielen abfällig so benannten „Piepmatz-Problem“ übrigens inzwischen begegnet. Eigene Karten, die die Vogelgebiete ausweisen, sollen den Gemeinden als Entscheidungshilfe dienen und die Bebauung dieser Flächen mit „Spargeln“ verhindern.

Die ökologischen Windfans haben sich schon vor einiger Zeit von einer alten Kalkulation verabschiedet: Das rechnerische Windkraftpotential einer Gegend ist nicht gleichzusetzen mit seinem realen Potential. In einem dichtbesiedelten europäischen Land sind Einschränkungen zu beachten. So plädieren die Umweltschützer auch für eine andere Diskussion in der Energiefrage: Vor allem müsse über Energieeinsparung geredet werden, ehe man sich von neuen Techniken wieder einmal die Lösung aller Probleme beim heutigen Stand des Energieverbrauchs verspreche. Bernhard Pötter

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