: Gespräche, ohne miteinander zu reden
■ Die USA wollen Nordkorea in Verhandlungen zur Freilassung des gefangenen US-Piloten bringen, ohne den Anschein zu erwecken, tatsächlich mit der nordkoreanischen Regierung Gespräche zu führen
Washington/Tokio (dpa/AFP/ rtr) – Der Konflikt um den in Nordkorea festgehaltenen US- Hubschrauberpiloten Bob Hall hat sich gestern verschärft. Um die Freilassung des am 17. Dezember abgestürzten Piloten zu erreichen, reiste der stellvertretende Abteilungsleiter im US-Außenministerium, Thomas Hubbard, in die nordkoreanische Hauptstadt Pjöngjang. Hubbard ist der höchstrangige US-Diplomat, der Nordkorea je besucht hat. Vor seiner Abreise versuchte er Ängste der Regierung Südkoreas vor direkten US-nordkoreanischen Gesprächen auszuräumen.
Zuvor hatte der künftige Fraktionsvorsitzende der Republikaner im US-Senat, Robert Dole, Nordkorea mit der Blockade des im Oktober unterzeichneten Atomabkommens über die Ersetzung der nordkoreanischen Atomanlagen durch Leichtwasserreaktoren gedroht. Die weitere Haft Halls könnte Anlaß sein, das Abkommen nicht umzusetzen, schrieb Dole in der Washington Times. Diese Haltung hat auch Michael McCurry, Sprecher des US-Außenministeriums, vertreten. Die amtliche nordkoreanische Nachrichtenagentur schlug derweil ebenfalls einen härteren Ton an und bezeichnete die beiden Hubschrauberpiloten, von denen nur Hall den Absturz überlebte, als „Kriminelle“, die einen „absichtlichen Spionageakt“ ausgeführt hätten. Die Regierung in Pjöngjang wolle den gefangengehaltenen Piloten Hall entsprechend dem Militärrecht weiter verhören. Die US- Regierung weist die Spionagevorwürfe zurück und besteht auf der Version, die beiden Piloten hätten bei einem Routineflug die Orientierung verloren.
Der Umgang der Clinton-Regierung mit der neuen Krise wird durch das Gefühl bestimmt, in Nordkorea herrsche seit dem Tod Kim Il Sungs ein Machtvakuum. Niemand wisse richtig, was in dem hermetisch abgeriegelten „schwarzen Loch“ Nordkorea eigentlich vorgeht, sagt der demokratische Abgeordnete Bill Richardson, der in der vergangenen Woche die Rückführung des toten Piloten erreicht hatte. Er hält einen Machtkampf zwischen Zivilisten im Außenministerium und den Militärs in Nordkorea für wahrscheinlich. Letztere geben „jetzt klar den Ton an“, sagte der Politiker gestern. In der Haltung Nordkoreas sehen viele Beobachter den Versuch, die USA zur Ausweitung direkter diplomatischer Verbindungen unter Umgehung Südkoreas zu zwingen. So ist dem Norden an einer Abschaffung oder Umgehung der UN-Waffenstillstandskommission gelegen, die seit dem Ende des Koreakrieges unter Einschluß von Vertretern Südkoreas Dispute zwischen beiden Ländern löst.
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